<109> Kopf. Ein Infanterietreffen, das sich neben den Kürassieren hinter Leuthen aufgestellt hatte, wurde von den Bayreuth-Dragonern in der Flanke angegriffen und auf die Freibataillone Angelellis geworfen. Zwei ganze Regimenter mit Offizieren und Fahnen wurden gefangen genommen. Als nun die feindliche Kavallerie so vollständig zersprengt war, ließ der König das Zentrum seiner Infanterie auf Leuthen vorrücken. Das Gefecht war lebhaft, aber kurz, da die österreichische Infanterie zerstreut zwischen Häusern und Gärten stand. Als die Preußen aus dem Dorf heraustraten, erblickten sie eine neue Infanterielinie, die die österreichischen Generale auf der Windmühlenhöhe aufgestellt hatten. Eine Weile hatten die Preußen unter ihrem Feuer zu leiden. Aber der Feind hatte in der allgemeinen Verwirrung nicht gemerkt, daß Wedell ihnen ganz nahe war. Unvermutet fiel der tapfere und geschickte General ihnen in die Flanke und in den Rücken. Dies glänzende Manöver entschied den Sieg und endigte den großen Tag.

Nun raffte der König die ersten besten Truppen zusammen und machte sich mit den Seydlitz-Kürassieren und einem Bataillon Bornstedt an die Verfolgung der Feinde. Er rückte zwischen dem Schweidnitzer Wasser und dem Lissaer Gehölz vor1. Aber die Dunkelheit wurde so groß, daß er Patrouillen vorausschicken mußte, um den Wald abzustreifen und Nachricht zu bringen. Von Zeit zu Zeit ließ er Kanonensalven auf Lissa richten, wohin sich das Gros der österreichischen Armee geflüchtet hatte. Als die Avantgarde sich dem Orte näherte, bekam sie eine Salve von ungefähr zwei Bataillonen. Es wurde aber niemand verwundet. Man antwortete mit einigen Kanonenschüssen und setzte den Marsch ruhig fort. Unterwegs brachten die Seydlitz-Kürassiere truppweise Gefangene ein. Als der König nach Lissa kam, fand er alle Häuser voll von Flüchtigen und Versprengten der kaiserlichen Armee. Er besetzte sofort die Brücke und ließ dort Kanonen auffahren, mit dem Befehl, zu schießen, solang der Pulvervorrat reichte2. Auch ließ er auf der Straße nach Breslau, auf der sich der Feind zurückzog, die Häuser zunächst dem Schweidnitzer Wasser mit Infanterietrupps besetzen, die die ganze Nacht durch das jenseitige Ufer bestreichen mußten, teils, um die Besiegten ständig in Schrecken zu halten, teils, um zu verhindern, daß sie Truppen auf das andere Ufer warfen, die am nächsten Tage den Übergang hätten verteidigen können.

Die Schlacht hatte um ein Uhr mittags begonnen. Als der König mit der Avantgarde in Lissa einrückte, war es acht Uhr abends. Seine Armee war 33 000 Mann stark, als sie den Kampf mit den Österreichern aufnahm. Diese sollten sich auf 60 000 Mann belaufen. Wäre die Nacht nicht hereingebrochen, so wäre die Schlacht die entscheidendste des ganzen Jahrhunderts geworden.


1 Als Führer diente der Kretschmer aus Saara, der mit einer Laterne neben dem Pferde des Königs herging.

2 Die Nacht verbrachte der König im Schlosse von Lissa, das voll verwundeter Österreicher war. Die Begegnung daselbst mit den abgeschnittenen österreichischen Offizieren war für ihn ohne Gefahr. Was darüber berichtet wird, ist spätere legendenhafte Ausschmückung.