<VIII>

Wie Friedrichs Anschauungen sich abwandelten, wie er als Staatsmann sich in der Praxis mit diesem Problem auseinandersetzte, das zeigen nun die drei Vorreden. Schon in der von 1742 machte er das weitgehende Zugeständnis, daß die Moral der Fürsten „vielfach als das Gegenteil der Privatmoral erscheine“. Mit Freimut gab er zu, daß er mit dem einseitigen Friedensschluß nichts anderes getan habe, als „den Brauch der Fürsten mitzumachen“. So offen und rückhaltlos ist die Sprache dieser Vorrede, daß nach ihrer Lektüre Voltaire gestand, der Eroberungsgeist, der den König beseele, lasse die Moral zu kurz kommen. In dem Vorwort von 1746 zieht Friedrich dann mit aller Schärfe den Unterschied zwischen der Privatmoral und der Staatsraison, um endlich 1775 das Recht des Fürsten zum Vertragsbruch auf vier bestimmte, genau umschriebene Fälle einzuschränken.

Das zweite Problem betrifft die Frage der Zu- oder Unzulässigkeit der Kriege. Der König eifert gegen alle Unternehmungen, die blinder Ehrgeiz heraufbeschwört. Aber auch ganz allgemein erhebt er das schwerwiegende Bedenken, daß die Erfolge eines Krieges die ungeheuren Anstrengungen und Opfer, die er erfordere, nicht lohnten. Auch hier ist die praktische Erfahrung sein Lehrmeister gewesen; denn es ist deutlich, daß ihm der Ausgang des Zweiten Schlesischen Krieges vorschwebt, der ihm nur den Besitz Schlesiens bestätigte. Daher findet sich diese Betrachtung auch erst in der Vorrede von 1746. Dasselbe gilt für das Vorwort von 1775; denn auch der Siebenjährige Krieg hatte zu keinem neuen Landerwerb geführt.

Man würde aber irren, wollte man dem König die Absicht beimessen, als verzichte er damit auf jeden Gedanken an einen neuen Krieg. Daß dieses für 1746 nicht zutrifft, lehrt das sechs Jahre später verfaßte Politische Testament. Und in dem Vorwort von 1775 erklärt Friedrich als „Gesetz“ für jeden Staatsmann: die günstige Gelegenheit für die Ausführung eines Unternehmens zu ergreifen, sie aber nicht herbeizuzwingen, indem man alles aufs Spiel setze. Daß dieses „Gesetz“ auch für den König galt, wer wollte das bestreiten? Um so mehr, als wiederum die Politischen Testamente1 zeigen, wohin seine Blicke schweiften, und die Lande uns bezeichnen, durch deren Erwerbung, wofern die Gelegenheit sich bot, der preußische Staat konsolidiert werden sollte.

Soviel über die drei Vorreden, die im folgenden zum Abdruck gelangen.

Für die „Geschichte meiner Zeit“ ist auf Wunsch des Verlages die letzte Fassung von 1775 gewählt worden. Der französische Text, der der Übertragung zugrunde liegt, ist abgedruckt in den „Œuvres de Frédéric le Grand“, Bd. II und III; die Fassung von 1742 ist veröffentlicht von H. Droysen in dem Programm des Königstädtischen Gymnasiums, Heft 2 (Berlin 1905), die von 1746 von M. Posner in den „Publicationen aus den K. Preußischen Staatsarchiven“, Bd. IV (Leipzig 1879).


1 Vgl. das „Politische Testament“ von 1752 und den „Abriß der preußischen Regierung und der Grundsätze, aus denen sie beruht, nebst einigen politischen Betrachtungen“ von 1776 (Bd. VII).