<47> die französischen Werke so allgemein Verbreitung fanden, warum ihre Sprache die lateinische verdrängte und warum jetzt jeder, der französisch versteht, durch ganz Europa ohne Dolmetscher reisen kann. Der allgemeine Gebrauch der fremden Sprache tat der Muttersprache noch mehr Abbruch. Sie blieb nur im Munde des gemeinen Volkes und konnte den feinen Ton nicht erlangen, den jede Sprache nur in der guten Gesellschaft gewinnt. Der Hauptfehler im Deutschen ist der Wortschwall. Man muß ihn eindämmen und würde durch Milderung einiger Wörter von zu hartem Klang das Deutsche auch wohllautender machen. Der Adel studierte nur das öffentliche Recht, besaß aber keinen Sinn für die schöne Literatur und brachte von den Universitäten nur die Pedanterie seiner Lehrer heim. Kandidaten oder Theologen, die Schusters- oder Schneiderssöhne waren, spielten den Mentor dieser Telemache: daraus schließe man, welche Bildung sie zu geben vermochten! Die Deutschen hatten wohl Schauspiele, aber die waren plump oder gar unanständig. Unflätige Hanswürste spielten geistlose Stücke, bei denen jeder Schamhafte errötete. Unsere Armut zwang uns, bei dem Überfluß der Franzosen Hilfe zu suchen, und an den meisten Höfen sah man französische Schauspielertruppen die Meisterwerke Molières und Racines aufführen.

Am erstaunlichsten aber muß für einen Philosophen die Erniedrigung sein, in die das königliche Volk, die weltbeherrschenden Römer herabgesunken sind. Statt daß Konsuln, wie zu Zeiten der Republik, gefangene Könige im Triumph aufführten, erniedrigen sich in unseren Tagen die Nachkommen eines Cato und Ämilius1 bis zur Entmannung für die Ehre, auf den Schaubühnen von Fürsten zu singen, auf welche die Zeit der Scipionen mit der gleichen Verachtung herabsah wie wir auf die Irokesen. O tempora! O mores!

In Deutschland waren Opern, Tragödien und Komödien noch vor sechzig Jahren unbekannt. Im Jahre 1740 hatte Deutschland durch das Aufblühen von Handel und Industrie einen Anteil an den Schätzen erlangt, die Westindien alljährlich über Europa ausschüttet. Die neuen Quellen des Wohlstandes hatten die Vergnügungen, die Bequemlichkeiten und wohl auch die Sittenlosigkeit mit sich gebracht, die eine Folge wachsenden Reichtums zu sein pflegen. Alles hatte sich vermehrt: Einwohner, Hausgerät, Bediente, Wagen und Pferde und Tafelluxus. Was man an schöner Baukunst im Norden sieht, stammt ungefähr aus der gleichen Zeit: das Schloß und das Zeughaus in Berlin, die Reichskanzlei und die Kirche des heiligen Karl Borromäus in Wien, das Schloß zu Nymphenburg in Bayern, die Augustusbrücke und der Zwinger in Dresden, das kurfürstliche Schloß in Mannheim, das Schloß des Herzogs von Württemberg in Ludwigsburg. Sind diese Gebäude auch den Bauten von Athen und Rom nicht vergleichbar, so übertreffen sie doch die gotische Baukunst unserer Vorfahren.


1 Marcus Porcius Cato Priscus, der Sieger über Spanien (195), und Lucius Ämilius Paullus Macedonicus, der Sieger von Pydna (168).