<3> die den Betrug und den Mißbrauch der Macht autorisiert, und ich sage offen: seine Nachbarn würden sich seine Rechtschaffenheit nur zunutze machen, und man würde ihm, auf Grund falscher Vorurteile und verkehrter Meinungen, das als Schwäche auslegen, was nur Tugend ist.

Solche und viele andere, reiflich erwogene Gedanken haben mich veranlaßt, den Brauch der Fürsten mitzumachen. Die Geschichte des Zeitalters liefert Beispiele genug zur Rechtfertigung meines Verhaltens. Angesichts all der schlimmen Praktiken, der Falschheit, Doppelzüngigkeit und Treulosigkeit meiner Nachbarn, wage ich zu behaupten, habe ich mich gegen sie noch ziemlich hochherzig benommen, und wenn auch der allgemeine Brauch meinen Verstand unterjochte, so ist mein Herz doch nicht verdorben.

Aber von mir soll hier nicht die Rede sein. Was ich der Nachwelt darstellen muß, ist größer und anziehender als meine Persönlichkeit. Es handelt sich hier auch nicht um eine moralische Abhandlung, sondern um geschichtliche Tatsachen. Da nur die über den guten Ruf eines Fürsten urteilen können, die kein Interesse daran haben, ihm zu schmeicheln, und sich nicht zu fürchten brauchen, ihn zu tadeln, so will ich ihnen alle Beweggründe meines Handelns auseinandersetzen und mich dann ihrem strengen Urteil unterwerfen.

2. Aus den Denkwürdigkeiten
Vor der Thronbesteigung

Betrachtet man mit politischen Blicken die Lage des preußischen Staates, so bemerkt man unschwer, daß sie zur Offensive wenig geeignet ist. Preußen erstreckt sich in der Länge über 180 deutsche Meilen. Bei Memel stößt es an Rußland, dazwischen schiebt sich Polen; bei Krossen berührt es die Kaiserlichen Staaten; die Kurmark und das Bistum Magdeburg grenzen an Sachsen, Pommern an Schweden. Eingeschoben sind das Land Hannover, die Staaten des Kurfürsten von Köln, und endlich ist das preußische Kleve benachbart mit Holland. Was sollte man bei dieser Lage gegen das Herzogtum Berg unternehmen, wenn dort die Frage der Erbfolge eintrat1? Im Rücken hatte man den Kaiser, der sich von Frankreich leiten ließ, den Kurfürsten von Sachsen, der gleichfalls Erbansprüche erhob, Schweden, über das Frankreich ver-


1 Der Große Kurfürst hatte in dem Klevischen Erbvergleich von 1666 den Ansprüchen auf Jülich und Berg entsagt. Nach preußischer Auffassung lebten diese mit dem Aussterben der Neuburgischen Linie wieder auf, während nach pfälzischer Ansicht für die beiden Herzogtümer die weibliche Deszendenz galt. Sie fielen nach dem Tode des letzten männlichen Sprossen des Hauses Neuburg, Karl Philipp († 1742), an den Erben der Kurlande, Karl Theodor von Pfalz-Sulzbach.