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8. Kapitel

Ereignisse der Jahre 1743 und 1744, nebst allem, was dem Kriege der Preußen voranging.

Nicht mit Unrecht gilt Vertrauen zu einem versöhnten Feinde für einen Kardinalfehler in der Politik. Aber ein noch viel größerer Fehler ist es, wenn eine schwache Macht auf die Dauer gegen eine mächtige Monarchie kämpft, welche Hilfsquellen besitzt, die jener fehlen. Das mußte gesagt werden, um im voraus den Tadlern des Königs zu begegnen. Warum, fragte man, stellte er sich an die Spitze eines Bundes zur Unterdrückung des neuen Hauses Österreich und ließ doch eben dieses Haus wieder emporkommen und widersetzte sich nicht, als es die Franzosen und Bayern aus Deutschland vertrieb? Aber was war des Königs Absicht? War es nicht die Eroberung Schlesiens? Wie hätte er sie durch einen endlosen Krieg erreichen können, für dessen unausbleiblich große Kosten ihm die Mittel fehlten? Alles, was er vermochte, war, durch Verhandlungen das Gleichgewicht zwischen den kriegführenden Mächten möglichst zu erhalten. Der Friede gab ihm Zeit, sich zu erholen und zu rüsten. Zudem war die Erbitterung zwischen Frankreich und Österreich so groß und ihre Interessen standen sich so schroff entgegen, daß eine Versöhnung zwischen ihnen noch in weitem Felde schien. Der König mußte seine Kräfte also für günstige Gelegenheiten aufsparen.

Die Mißerfolge der französischen Waffen hatten einen so tiefen Eindruck auf den Kardinal Fleury gemacht, daß seine Gesundheit darunter litt. Eine Krankheit raffte ihn zu Anfang dieses Jahres dahin1. Er war Bischof von Fréjus gewesen, dann Erzieher Ludwigs XV., Kardinal der römischen Kirche und siebzehn Jahre lang Premierminister. Diese Stellung, in der wenige Minister alt werden, behauptete er durch die Kunst, das Vertrauen seines Herrn zu fesseln, und durch die Sorgfalt, mit der er alle, die ihm durch ihre Talente verdächtig schienen, vom Hofe fernhielt. Er linderte die Wunden, die der Spanische Erbfolgekrieg und Laws System2 Frankreich geschlagen hatten. Seine Sparsamkeit war für den Staat ebenso nützlich, wie die Erwerbung


1 Am 29. Januar 1743.

2 Vgl. S. 24.