<IV>

Im Verlauf des Jahres 1912 war ein Aufruf erschienen, unterzeichnet von 600 der hervorragendsten Persönlichkeiten Preußens und Deutschlands, an deren Spitze elf deutsche Bundesfürsten und die regierenden Bürgermeister der drei freien Hansestädte. Der Aufruf lautete:

Im Januar 1912 hat man bis weit über die Grenzen des preußischen Staates hinaus des 200jährigen Geburtstages des großen Preußenkönigs, des ersten nationalen Helden, den Deutschland seit dem Mittelalter wieder hervorbrachte, gedacht. Er ist den Deutschen mehr gewesen als ein Kriegsheld und ein Staatsmann. Es hingen nicht nur die großen Entscheidungen der europäischen Politik ab von dem Sieger in fünfzehn Schlachten, sondern den großen öffentlichen Problemen des geistigen und kulturellen Lebens der Zeit wurde in gleicher Weise die Richtung gewiesen durch das vorbildliche Regiment des großen preußischen Herrschers. Er war nicht nur der Abgott seiner ruhmgekrönten Soldaten; aus allen Schichten der Nation vom Arbeiter bis hinauf zu den führenden Geistern klang ihm begeisterte Bewunderung entgegen.

Den Sieger von Hohenfriedberg und Leuthen bewunderten die Militärs aller Nationen, den Schöpfer des Fürstenbundes die politisch bewußten Deutschen, den Reformator des Rechtswesens Juristen und Rechtsuchende, den inneren Kolonisator die Staatsgelehrten. Seine nationalen, wirtschaftspolitischen Maßnahmen erregten und bewegten Handel und Gewerbe, seine Kirchenpolitik, die zum ersten Male mit dem Prinzip religiöser Duldsamkeit Ernst machte, ward zum Ereignis für die Geistlichen und Gläubigen aller Konfessionen. Der königliche Pädagog gab den Schulmännern reiche Anregung, und den Philosophen von Sanssouci stellte die Welt bewundernd in die Reihe der ersten Gelehrten und Schriftsteller.

Und dieser König ließ sich nicht damit genügen, ein Regiment zu führen wie nie zuvor ein gekröntes Haupt, er legte für die Mit- und Nachwelt in den mühevoll dem Regierungsgeschäft abgesparten Stunden Wort um Wort seine Gedanken und die Rechenschaft über seine Taten schriftstellerisch nieder: Das glänzendste politische Vermächtnis, das je einem Volke geworden ist, den wahrhaftesten Rechenschaftsbericht eines Königs und königlichen Denkers, den die Geschichte kennt.

Eine beschämende Tatsache aber ist es, daß die SchriftenKönig Friedrichs des Großen uns nahezu verlorengegangen sind. Auch unter den Gebildeten der Nation gibt es nur wenige, die je ein Wort aus des Königs Feder gelesen haben. Während in den vier Menschenaltern, die seit des großen Königs Tode vergangen sind, die bedeutendsten schriftstellerischen Erzeugnisse des In- und Auslandes auf das sorgfältigste gesammelt wurden, ist man an der Hinterlassenschaft Friedrichs II. achtlos