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62. Die beiden Hunde und der Mann
(Februar 1762)

Zwei große Köter, beide haßerfüllt,
Ganz ausgehungert und voll Gier nach Beute,
Zerfleischten sich um Speisereste wild,
Die ein Bedienter auf die Straße streute.
Man sah das Blut aus ihren Mäulern quellen,
Fern an das Ohr der Straßengänger drang
Ihr lautes Kläffen und ihr wütend Bellen.
Da kommt ein grober Kerl des Wegs entlang;
Er sieht sie kämpfen, nimmt den Stock zur Hand
Und schwingt ihn über beiden kampfbereit,
Dann prügelt er drauflos, von Wut entbrannt,
Und schlägt sie windelweich, indes er schreit:
„Vierbeiniges Gezücht, könnt ihr nicht hören,
„Könnt euch, ihr Biester, nicht von bannen scheren?“
Da spricht, schon im Begriff davonzujagen,
Voll Zorn der eine Köter: „Wilder Mann,
„Zwei wahre Helden sind's, die du geschlagen!
„Auf Erden hier — gedenke stets daran —
„Treibt jeder sein Geschäft, so gut er kann.
„Wenn aneinander sie im Streit geraten,
„Um Knochen kämpfen Hunde, ihr um Staaten.“

Die bittre Not treibt Hunde in den Streit,
Doch uns Chimären und die Eitelkeit.