<30>Doch kann am Stoff dein Werk man wachsen sehn;
Des Urbilds Schönheit lebt in deinen Bildern.
Um unsre hehre Königin zu schildern,
War kein Geringrer gut genug als Pesne.
Die Hoheit ihrer Stirn, ihr fürstlich Wesen,
Ihr sanfter Reiz, ihr Blick, der Zutraun weckt,
Dies all' ist in dem Meisterbild zu lesen,
Bis auf die Tugend, die den Frevler schreckt,
Dem Schuldigen verzeiht und edelmütig
Den Tränen des Bedrückten Halt gebeut;
Ich glaube diese Hand zu sehn, die gütig,
Auch aus der Ferne, Segen rings verstreut.

Bei solchem Anblick, der mir göttlich deucht,
Fühl' Andacht ich und Rührung mich durchdringen,
Wird vor Ergriffenheit mein Auge feucht.
Wie? Kann uns bloße Farbe so bezwingen,
Daß durch die Täuschung deiner Kunst sogleich
Nach kurzem Blick der Geist gerät ins Feuer?
Pesne, wenn nicht Tugend, auch im Bild uns teuer,
Ied'Konterfei dir schmückte doppelt reich,
Dann würd' ich, hadernd mit des Urbilds Fehlern,
Mein Lob für deine Pinselführung schmälern.
Der schöne Stoff läßt deine Kunst erstrahlen,
Apelles nur kann Alexander malen.
Mag auch mit ganzen Könnens Aufgebot
Ein Künstler eines Kaisers Standbild prägen,
Das des Tiberius stürzt man, wenn er tot,
Das des Augusius wird die Liebe hegen.
So schätzte man des Marmors Kunsivollendung,
Nur wenn er guter Kaiser Züge trug.
Für Götzen hielt die wütende Verblendung
Siegreicher Christen, was ihr Haß zerschlug,
Und um des Phidias Namen unbekümmert
Zerbrach man jede Büste, die man fand;
So ward in jener Zeiten Sturm und Brand
Die hehrste Kunst des Altertums zertrümmert.

Die Wahl des Stoffs entscheidet deine Siege;
Glaub' nicht, daß ich verklage dein Talent,