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72. Kodizill
(1771)

Recht hatte Del Bene,1 auf Ehre,
Ich unterschreibe seine Lehre:
Er meint, sie regiere sich selber, die Welt.
Schlimm freilich war's ja damals bestellt
Mit den Thronen: Es saßen Toren darauf,
Sie gingen in Prunk und in Festen auf,
Ein willenlos Spiel der Konjunkturen,
Und Narrheiten zeichneten ihre Spuren.

Seit jener Zeit sind im Süden und Norden
Die Könige freilich nicht anders geworden!
In der Schmach und der Kläglichkeit seiner Großen
Fühlt sich der Untertan glänzend gerächt.
Fürwahr, in den alten Formen gegossen
Ist der heutigen Fürsten zahllos Geschlecht;
Ja, manchen weiß ich, der vielleicht
Jene alten nicht einmal erreicht!

Vor Zeiten, da lebte ein Julian,
Der hat's der Mitwelt kundgetan
In seinen Bildern von zwölf Cäsaren,
Wes Geistes Kinder die Herren waren.2
Wollt' ich, wie jener Herrscher, es wagen,
Die Schleier zurückzuschlagen,
Und was man dahinter sieht, deutlich zu sagen,
Eh' ich mein Schandgemälde vollende,
War' ich mit Pinseln und Farben am Ende!


1 Anmerkung des Königs: „Minister der Medizäer in Florenz, Großprior von Pisa.“

2 Gemeint sind die „Cäsaren“ von Julian Apostata, ein in lucianischer Art abgefaßtes satirisches Tischgespräch über die Kaiser von Augustus bis Diokletian.