<116>Weh mir, auf den nur Qualen niederträufen —
Zu lange trag' ich dieses Lebens Pein!

Mußt' ich auch deinem Arm entzogen sein,
O Mutter, und den letzten Kuß entbehren!
Mein Herz erzittert unter heißen Zähren,
Mein Herz, das, längst von Bangigkeit erfüllt,
Vorahnte, was die Stunde rauh enthüllt.
Wohl hoffte ich, daß meinem Flehn zum Lohne
Die Parze deiner edlen Seele schone
Und meinen Lebensfaden nur durchriss' —
Es hat nicht sollen sein! O Bitternis!
So ist, erhabne Frau, dein Licht verglommen,
Du bist ins Reich der Schatten aufgenommen!
Dir danke ich mein Sein, dir dank' ich mehr:
Warst meinem Geist ein Vorbild, hoch und hehr!
Und dies bleibt unvergänglich mir gerettet.
Mir heilig sei die Gruft, drin du gebettet!
Sofern nicht alles ganz und gar versinkt
Und noch ein Seufzer zu den Toten dringt,
Sofern dir fühlbar meines Herzens Jammer,
Laß meine Tränen ein in deine Kammer
Und nimm als Gruß hin meiner Blumen Duft,
Die ich ausbreiten will auf deiner Gruft.

Was mir vom Leben bleibt, sind Schicksalstücken;
Endlose Martern werden mich bedrücken.
Die Gegenwart ist schrecklich — und was wird?
Ist mir der Herrgott denn ein gütiger Hirt?
Wär' er so gut und lieb zu seinen Kindern,
Er müßte, was sie kränlt und plagt, verhindern.

Ihr biedern Wächter eines frommen Trugs,
Mit dessen Wirrwarr euer Ansehn wuchs,
Ihr lockt die Menschenbrut, die voll Bedrängnis,
In eures Irrgangs düsteres Gefängnis.
Mir schwand der Zauber, und der Schleier fiel:
Ich seh's! Das Schicksal treibt mit uns ein Spiel.
Doch lebt ein Geist in unerforschten Sphären,
Verächtlich läßt er das Gewürm sich mehren.