<69> Sache interessiert ist, hat oft den klarsten Einblick. So sah Friedrich Wilhelm aus, daß der Friede, den Frankreich eben mit Spanien geschlossen hatte, für die Holländer verhängnisvoll werden könnte. Er versuchte, das drohende Unheil von der Republik abzuwenden.

Ludwig XIV. dachte nicht daran, sich zu friedlichen Gesinnungen zu bekehren. Vielmehr bemühte er sich, den Kurfürsten in den Krieg, den er gegen die Holländer vorhatte, selbst hineinzuziehen. Damit beauftragte er den Grafen von Fürstenberg1, der sich nach Berlin begab (1669). Zu seinem Staunen fand der Vermittler einen Herrscher, der die Gefühle der Freundschaft und der Dankbarkeit höher hielt als die Lockungen des Eigennutzes und die Reize des Ehrgeizes.

Alsbald entstand ein Bund zur Unterstützung der Niederlande. Der Kurfürst von Brandenburg, der von Köln2, der Bischof von Münster3 und der Pfalzgraf von Neuburg unterzeichneten den Vertrag zu Bielefeld. Aber kaum war das Bündnis geschlossen, als der Kurfürst von Köln und der Bischof von Münster zur Gegenpartei übertraten.

Als Holland 1672 von Frankreich angegriffen und zugleich vom Kurfürsten von Köln und dem Bischof von Münster beunruhigt wurde, war seine Lage derart, daß es von der Hochherzigkeit seiner Bundesgenossen keine Hilfe zu erwarten wagte. Wer ins Unglück gerät, macht eine sichere Erfahrung mit dem Menschenherzen: der Niedergang seines Glückes ist wie ein Thermometer, das zugleich die Erkaltung seiner Freunde anzeigt. Die Provinzen der Holländer wurden von Ludwig XIV. erobert. Ihre Truppen waren entmutigt und in die Flucht gejagt und Amsterdam dem Fall nahe. Wie konnten sie bei diesem Stand der Dinge hoffen, ein Fürst werde so viel Seelengröße haben, um den Gefahren zu trotzen, denen die Republik und ihre Beschützer ausgesetzt waren? Wie konnten sie erwarten, er werde sich dem mächtigsten und glücklichsten Monarchen Europas auf der Triumphstraße seiner Erfolge entgegenstellen?

Und doch stellte ein solcher Beschützer sich ein. Friedrich Wilhelm besaß die Seelengröße, ein Bündnis mit der Republik zu schließen4, während ganz Europa schon glaubte, sie werde in den Fluten versinken, die sie einst beherrscht hatte. Er verpflichtete sich zur Stellung von 20 000 Mann, wovon die Hälfte im Sold der Republik stehen sollte. Der Kurfürst und Holland versprachen sich ferner gegenseitig, keinen Sonderfrieden mit den Feinden zu schließen. Bald danach trat Kaiser Leopold ihrem Bunde bei (Juni 1672).

Mittlerweile hatten die raschen Erfolge Ludwigs XIV. zur Änderung der Regierungsform in Holland geführt. Das Unglück des Landes und die Ränke des Prinzen von Oranien brachten das Volk in Wut. Es legte dem Ratspensionär all


1 Der kurkölnische Domherr und Minister Graf Wilhelm von Fürstenberg, der im Namen seines Hofes und im Unverständnis mit Frankreich ein förmliches Teilungsprojekt der Niederlande überbrach e.

2 Kurfürst Maximilian Heinrich.

3 Christoph Bernhard von Galen.

4 Am 6. Mai 1672.