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Herzog Karl IV. von Lothringen, ein ohne Heimstatt herumirrender Fürst, war von den Franzosen aus seinem Lande vertrieben und führte mit einer kleinen Truppenmacht eher das Leben eines Tartaren als das eines Herrschers. Er kam mittlerweile dem Pfalzgrafen von Neuburg zu Hilfe. Seine Ankunft drohte die Friedensstimmung beider Parteien zu verderben. Man gelangte aber doch zu einer Einigung. Für die Besitzordnung hielt man sich an den Westfälischen Frieden1 und für die Gewissensfreiheit an die Verträge, die man seit dem Jahre 1612 bis zum Jahre 1647 miteinander geschlossen hatte.

Zu dieser Zeit begab sich in Schweden ein Ereignis so einzig dastehender Art, daß es die Augen ganz Europas auf sich zog: die Königin Christine entsagte der Krone Schwedens zugunsten ihres Vetters, des Prinzen Karl Gustav von Zweibrücken (1654). Die Politiker, deren Sinn von Selbstsucht und Ehrgeiz erfüllt ist, verurteilten die Königin entschieden. Die Höflinge, die überall Hintergedanken wittern, sprengten aus,die Abneigung der Königin gegen Karl Gustav, den sie heiraten sollte, habe sie veranlaßt, die Herrscherwürde niederzulegen. Die Gelehrten lobten sie allzusehr, weil sie aus Liebe zur Philosophie auf die Herrscherwürde verzichtet habe. Wäre sie in Wahrheit Philosophin gewesen, so hätte sie sich nicht mit der Ermordung Monaldeschis befleckt2 und nicht — wie sie es in Rom tat — sich nach der aufgegebenen Hoheit zurückgesehnt. In den Augen der Weisen erschien das Verhalten der Königin nur bizarr. Sie verdiente weder Lob noch Tadel für ihre Thronentsagung. Eine Handlung wie diese gewinnt ihre Größe lediglich durch die hohe Bedeutung der Gründe, aus denen sie hervorgeht, durch die begleitenden Umstände und die Seelengröße, mit der sie zu Ende geführt wird.

Kaum hatte Karl Gustav den Thron bestiegen, als er auch schon danach trachtete, sich durch Waffentaten auszuzeichnen. Es fehlten noch sechs Jahre bis zum Ablauf des Waffenstillstandes, den Gustav Adolf mit Polen geschlossen hatte3. Karl Gustav beabsichtigte nun, den König Johann II. Kasimir, der 1648 zum Nachfolger von Wladislaw IV. erwählt worden war, zum Verzicht der polnischen Ansprüche auf die Krone Schwedens4 und zur Abtretung Livlands zu bringen. Friedrich Wilhelm, den Mißtrauen gegen Karl Gustav erfüllte, durchschaute seine Pläne bald. Um ihn aber in günstiger Stimmung zu erhalten, beendete er durch seine Vermittlung die Streitigkeiten zwischen der schwedischen Regierung in Stade und der Stadt Bremen um die Vorrechte der Hansestadt.

Die Schweden verkündeten, ihre Rüstungen richteten sich nur gegen Rußland. Vom Kurfürsten forderten sie die Häfen Pillau und Memel, ganz so wie Gustav


1 Anmerkung des Königs: „Die Herzogtümer Kleve, Mark und Ravensberg fielen an den Kurfürsten, Jüöich, Berg und Ravenstein an den Pfalzgrafen.“

2 Marchese Giovanni Monaldeschi, Diplomat, dann im persönlichen Dienste der Königin Christine, die er auf ihren Reisen begleitete, wurde 1637 wahrend ihres Aufenthalts am französischen Hofe, wie es heißt, auf ihr Anstiften ermordet.

3 Vgl. S. 41.

4 Die Ansprüche gingen auf Sigismund III. zurück, der der Sohn König Johanns III. von Schweden war (vgl. S. 41).