<213>gischen Fabriken konnten nicht so viel Tuch liefern, wie im Lande gebraucht wurde, und man mußte wieder zur Industrie der Nachbarn seine Zuflucht nehmen. Höchstwahrscheinlich hätte man sich noch besser zu helfen gewußt, aber der Dreißigjährige Krieg kam dazwischen und warf die Projekte, die Manufakturen und den ganzen Staat um.

Als Friedrich Wilhelm die Regierung antrat, wurden in seinem Lande weder Hüte, Strümpfe, Leinen, noch irgend welche Wollstoffe hergestellt. Alle diese Produkte brachte uns erst die Industrie der Franzosen. Sie errichteten Manufakturen für Tuch, Serge, Etamin, für kleine Zeuge, Drogett, Grisett, Krepon, für Mützen und Strümpfe, die auf Webstühlen verfertigt wurden, für Mützen aus Biber-, Hasenund Kaninchenfell, sowie für Färberei aller Art. Einige der Refugiés wurden Kaufleute und sorgten für den Absatz der Erzeugnisse der anderen. Berlin bekam Juweliere, Uhrmacher und Holzschnitzer. Die Franzosen, die sich auf dem platten Lande ansiedelten, zogen dort Tabak, Obst und vortreffliche Gemüse und machten durch ihre Sorgfalt die sandigen Gegenden zu bewunderswerten Gemüsegärten. Um eine so wertvolle Kolonie zu unterstützen, setzte der Große Kurfürst ihr eine jährliche Rente von 40 000 Talern aus, die sie heute noch erhält.

So stand die Kurmark gegen Ende der Regierung Friedrich Wilhelms in einer Blüte, wie unter keinem seiner Vorfahren. Der große Aufschwung der Manufakturen vermehrte auch die Zweige des Handels, der sich in der folgenden Zeit auf Getreide, Holz, Stoffe, Tuche und Salz erstreckte. Die Post, bis dahin in Deutschland unbekannt, wurde vom Großen Kurfürsten in allen seinen Staaten, von Emmerich bis Memel, eingeführt. Die Städte hatten willkürliche Abgaben gezahlt, die nun abgeschafft und durch die Akzise1 ersetzt wurden. Ihre Verwaltung besserte sich: man pflasterte die Straßen und hängte in Zwischenräumen Laternen auf, um sie zu erleuchten. Diese Verbesserung war dringend notwendig; denn früher hatten die Höflinge wegen des Schmutzes in den Straßen auf Stelzen zum Schloß in Potsdam gehen müssen, wenn der Hof sich dort aufhielt.

Obwohl selbst freigebig und prachtliebend, erließ der Große Kurfürst Gesetze gegen den Luxus. Sein Hofhalt war groß und sein Aufwand würdig. Bei den Festlichkeiten, die er zur Hochzeit seiner Nichte, der Herzogin von Kurland2, gab, waren zu jeder Mahlzeit 56 Tafeln zu je 40 Gedecken aufgestellt.

Durch seine unermüdliche Tätigkeit schenkte der Große Kurfürst seinem Land alle nützlichen Künste. Ihnen die angenehmen hinzuzufügen, fehlte ihm die Zeit.

Die fortwährenden Kriege und der Zuzug der neuen Einwohner hatten die alten Sitten schon bedeutend geändert. Viele Bräuche der Holländer und Franzosen waren bei uns heimisch geworden. Die Hauptlaster waren Trunksucht und Eigennutz. Ausschweifungen mit Weibern waren damals der Jugend ebenso unbekannt wie die Krankheiten, die deren Folgen sind. Der Hof liebte den Witz, Zweideutigkeiten und


1 Vgl. S. 136.

2 Es war vielmehr die Schwester des Großen Kurfürsten, Luise Charlotte, die 1645 Herzog Jakob von Kurland heiratete.