Dezember.

A.

Dezember 1777

Der König in Potsdam.

17. Dezember 1777

Der König an Voltaire: "Es ist angenehm, ein Monument von allen Gedanken der Menschen zu haben, die man hat auffinden können; in den Werken der Imagination aber werden wir uns, wie ich voraussehe, an Homer, Virgil, Tasso, Voltaire und Ariost halten müssen.

Wie es scheint, vertrocknen in allen Ländern die Gehirne, und bringen weder Blumen noch Früchte hervor. Die historischen Werke sollte man, um sie nützlich zu machen, wo möglich von dem Partheigeist, von falschen Anekdoten und von Lügen reinigen. Bei den Methaphysikern lernt man<178> nichts, als die Unbegreiflichkeit vieler Gegenstände, welche die Natur nicht in den Fassungskreis unsers Geistes gelegt hat. Und was den theologischen Schwall betrifft - die hypochondrischen und fanatischen Verfasser, die ihn aufgehäuft haben, verdienen nicht, daß man seine Zeit mit dem Lesen der albernen Hirngespinste tödtet, die ihnen durch den Kopf gegangen sind. Von den Herren Geometern, die ewig unnütze krumme Linien berechnen, sage ich nichts; ich lasse sie mit ihren Puncten ohne Ausdehnung und mit ihren Linien ohne Breite in Ruhe; so wie auch die Herren Aerzte, die sich zu Schiedsrichtern unsers Lebens aufwerfen, und im Grunde nichts als Zuschauer unserer Leiden sind. Was soll ich Ihnen von den Chemisten 178-+ sagen? die, anstatt Gold zu machen, es durch ihre Operationen in den Rauch schicken. Für unsern Nutzen und Trost bleibt also nichts weiter übrig, als die schönen Wissenschaften, die man mit allein Rechte Humaniora genannt hat. An sie halte ich mich; die übrigen Bücher können in einer Hauptstadt nützlich sein, wo die Liebhaber der Wissenschaften, die bei der Vertheilung der Glücksgüter schlecht bedacht worden sind, die Citationen sonst nicht verificiren können, die ihnen in andern Büchern vorkommen, und von denen sie da die Originale finden. Sehen Sie, dazu ist die Bibliothek bestimmt, aber Voltaire's Werke nehmen, wie billig, den glänzendsten Platz darin ein. Die schöne Pariser Ausgabe in Quart prangt darin mit allem ihrem Pomp. etc.

Ich bin im Begriff, nach Berlin zu gehen und Andern einen Carneval zu geben und selber keinen Theil daran zu nehmen. Dort befindet sich jetzt ein Graf Montmorency-Laval, ein sehr liebenswürdiger junger Mann, den ich in Schlesien gesehen habe. Ich disputire mit ihm, er will Deutsch lernen; ich sage ihm, das verlohne sich nicht der<179> Mühe, weil es uns an guten Schriftstellern fehle, und er wolle es nur darum thun, um Krieg mit uns führen zu können. Er versteht Scherz und ist gewiß kein Feind von Preußen. etc."

18. Dezember 1777

Der Abt Bastiani aus Breslau kommt beim König in Potsdam an.

20. Dezember 1777

Der König nach Berlin, besucht die Prinzessin Amalie.

20. Dezember 1777

Der König an d'Alembert :

"Ich begnüge mich, Ihnen bloß den Empfang Ihres Briefes zu melden. Da der meinige in ganz Paris herumwandern könnte, so schränke ich mich darauf ein, Ihnen in Rücksicht des Herrn de l'Isle, von welchem Sie mir schreiben 179-+, zu antworten : daß hier keine Stelle ist, die sich für ihn schickte; und daß ich glaube, der beste Weg, der ihm offen steht, sei nach Holland zu gehen, wo das Handwerk eines Blätterschreibers eine Menge Leute seiner Art ernährt. Und hiermit etc."

21. Dezember 1777

Der König speis't bei der Königin, wie in der Carnevalszeit öfter geschieht.

31. Dezember 1777

Der König läßt die Akademiker Sulzer und Merian zu sich rufen und unterhält sich, besonders mit Ersterem, über verschiedene philosophische Materien, und als auch über die Religion gesprochen wurde, tadelte er es, daß von manchen Theologen noch dieser und jener Unsinn vorgetragen würde, worauf Sulzer erwiederte, daß die christliche Lehre, wie sie<180> jetzt von den im größten Rufe stehenden Berliner Predigern vorgetragen würde, eine ganz andere Gestalt habe, als sie zu der Zeit gehabt, da Se. Majestät Religionsunterricht erhalten, und führte Einiges aus Spalding's Schriften und Lehrweise an. etc. Der König sagte darauf: "Das ist sehr gut, und ich bin der Erste, dieses zu respectiren." Er rügte noch das Ungereimte von einem unmittelbaren göttlichen Beruf der Geistlichen, und daß die Souveraine Ebenbilder Gottes auf Erden seien, und setzte hinzu: "Sehen Sie, wenn es mir gelänge, alle meine Unterthanen vollkommen glücklich zu machen, so würde ich nur auf einem sehr kleinen Theil der Erdkugel gewirkt haben, die selbst nur ein unendlich kleiner Theil des Weltalls ist. Wie könnte ich denn mich unterstehen, mich dem Wesen zu vergleichen, welches dieses unermeßliche Weltall regiert und in Ordnung hält?" (I. G Sulzer's Lebensbeschreibung mit Anmerk. von Nicolai und Merian. Berlin, 1809, S. 61-67). Bei dieser oder einer andern Unterredung des Königs mit Sulzer über die Erziehung, sagte der Letztere, daß, es anfange, damit besser zu werden, seitdem man auf Rousseau's Grundsatz: der Mensch sei von Natur gut, fortbaue. Hierauf erwiederte der König: "Ich sehe wohl, mein lieber Sulzer, Er kennt nicht, so wie Ich, die verwünschte Race, zu der wir gehören." (Vergl. oben des Königs Brief vom 18. Novbr. 1777).

Während des Königs Aufenthalt in Berlin besucht er wie gewöhnlich die Wachtparaden.

?? Dezember 1777

Der Geheime-Rath von Brenkenhof beim König.

Den General von Ramin beschenkt der König mit einem großen Aufsatz von Porzellan.

In Berlin waren angekommen : der Abt Bastiani von Potsdam, der Minister von der Horst aus Westphalen, der Graf Lusi aus Venedig.

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B.

20. Dezember 1777

Stirbt in Berlin der Hofprediger Ludwig Sam. Noltenius.

20. Dezember 1777

Anfang des Carnevals. Die Ordnung desselben war folgende : Sonntag : Mittags Cour bei dem König, Abends Cour bei der verwittweten Prinzessin von Preußen; Montag: Oper; Dienstag : Redoute; Mittwoch : Französische Comödie; Donnerstag : Cour bei der Königin; Freitag : Oper; Sonnabend : Ruhe.

Die beiden Opern waren : 1) Rodelinde, 2) Artemisia. Die Französischen Comödien: Phèdre, les femmes savantes, Zaire, le Joueur.

23. Dezember 1777

Alexander, Kaiser von Rußland, geboren.

30. Dezember 1777

Der Kurfürst von Baiern Maximilian Joseph stirbt ohne leibliche Erben. Sein Vetter Karl Philipp Theodor, Kurfürst von der Pfalz, tritt die Regierung von Baiern an.


178-+ Der König meint die Alchymisten.

179-+ Dies war von d'Alembert in seinem Brief vom 27. Novbr. geschehen; den vom 28sten, darin sich d'Alembert entschuldigt, hatte der König jetzt noch nicht erhalten, oder fand nicht für gut, ihn zu beantworten. Auch könnte es sein, daß dieser Brief d'Alembert's ein falsches Datum hat und später geschrieben ist, denn man sieht aus einem Briefe d'Alembert's vom 30. Januar 1773, daß der König ihm kurz vorher wieder geschrieben hatte, welcher Brief des Königs aber, so wie mehrere in dieser Zeit (bis Dezember 1778) von ihm geschriebene Briefe verloren gegangen sein müssen.