August.

A.

August 1777

Der König in Potsdam (Sanssouci).

13. August 1777

An Voltaire :

"Ich erhalte Ihre beiden allerliebsten Briefe den Tag vor meiner Abreise nach Schlesien und eile Ihnen darauf zu antworten. Da die Orakel Anfangs in Versen ertheilt worden sind, so glaubte ich, Apoll inspirire alle Dichter, aber das ist nur bei Leuten wie Voltaire und Virgil der Fall, und die Obotritischen Poeten prophezeihen, wie es mir öfters<166> gegangen ist, nicht richtig 166-+. Nun desto schlimmer für den Kaiser, wenn er Sie nicht besucht hat. Seehäfen, Schiffe, Arsenale etc. findet man allenthalben, aber unser Jahrhundert hat nur einen Voltaire hervorgebracht. Wer ihn nun hören konnte und es nicht that, der wird es ewig zu bedauern haben. Doch - ich weiß von guter Hand aus Wien, daß die Kaiserin ihrem Sohne verboten hat, den alten Patriarchen der Toleranz zu besuchen. Die Schweizer handeln weislich, daß sie ihre Gesetze verbessern, wenn sie zu streng sind. Bei uns ist es schon geschehen. Auch ich habe zu meiner eigenen Belehrung über diesen Gegenstand nachgedacht, und sogar eine Kleinigkeit über die Regierung hingeworfen 166-++, die ich Ihnen bei meiner Zurückkunft unter dem Siegel der Verschwiegenheit schicken werde. Wenn es darauf ankommt, etwas zum öffentlichen Besten und zu den Fortschritten der Vernunft beizutragen, werde ich immer mit Vergnügen bereit sein. Die Bank wird Ihnen über Neuchatel das Geld schikken, das zu dem von den Herren Schweizern ausgesetzten Preise nöthig ist. Jedermann muß sich für das Wohl der Menschheit interessiren. etc.

Ich reise nach Schlesien und werde mich da mit der Justiz beschäftigen, über die man ohne Unterlaß wachen muß. Auch habe ich dort Finanzeinrichtungen zu treffen, Urbarmachungen zu untersuchen, Handelsangelegenheiten zu entscheiden, Truppen zu besehen, und Unglückliche zu trösten. etc."

13. August 1777

Der König an d'Alembert :

"Ich fange meinen Brief mit Versen von Chaulieu an, die für Greise von unserm Alter lehrreich sind:

"So streu' ich, frei von Gram und Düsterheit -
Dem Todesgift, das langsam mir den Rest
<167>Des Lebens tobtet - manche Blume denn
Noch auf den kurzen Pfad, der übrig ist."

Wenn man so denkt, so zertheilen sich die Gewölke des Geistes, und eine sanfte Stille folgt auf die Bewegungen, die uns erschüttern.

Ich höre, daß der Graf von Falkenstein (der Kaiser) Häfen, Zeughäuser etc., aber Voltaire'n nicht gesehen hat etc. Zufolge gewisser Anekdoten, die mir bekannt geworden sind, glaube ich, daß eine gewisse sehr unphilosophische Dame Theresia ihrem Sohne verboten hat, den Patriarchen der Toleranz zu sehen. - Was der Kaiser Gutes an sich hat, das hat er von sich selbst; seine eigene Anlage und sein eigenthümlicher Charakter haben seine Erziehung vollkommen gemacht. Der Feldmarschall Bathiani, der ihn gebildet hat, und den ich sehr genau gekannt habe, war ein würdiger Mann und fähig, einem jungen Prinzen gute Grundsätze beizubringen. Ich sage es noch einmal: Helvetius hat Unrecht in seinem Werke: "über den Geist," wenn er behauptet, die Menschen würden ungefähr alle mit den nämlichen Talenten geboren. Dem widerspricht die Erfahrung. Die Menschen haben bei ihrer Geburt einen unauslöschlichen Charakter an sich; die Erziehung kann Kenntnisse verschaffen und dem Zögling Scham über seine Fehler einflößen; aber niemals wird sie die Natur der Dinge ändern. Die Grundlage bleibt, und jedes Individuum trägt den Urstoff seiner Handlungen in sich. Und das muß auch so sein, weil wir ewige Gesetze entdecken; wäre es denn wohl wahrscheinlich, sobald irgend etwas in dem Weltall genau bestimmt ist, daß nicht alles es sein sollte? Ich weiß, daß ich eine große Frage auswerfe ; aber ich wende mich auch damit an den weisesten Philosophen der Gallier, ihm kommt es zu, sie aufzulösen.

Sie wollen wissen, wie ich von dem Betragen der Engländer denke? Gerade wie das Publikum. Daß sie nämlich wider die Redlichkeit gesündigt haben, indem sie ihren Ko<168>lonien den Vertrag nicht so hielten, wie sie ihn mit denselben geschlossen hatten. etc."

Dann äußert der König noch seine Meinung dahin, daß es zwischen England und Frankreich zum Krieg kommen, Letzteres vielleicht sich wieder in den Besitz von Canada setzen werde, und die Kolonien sich wahrscheinlich unabhängig machen werden. etc.

14. August 1777

Der König nach Schlesien; in seinem Gefolge befanden sich unter andern auch der Graf von Hord, Gouverneur der Festung Spandau, die Prinzen von Würtemberg und von Holstein-Beck.

26. August 1777

Der König kommt von Neisse in Breslau an.

29. August 1777

Nach dem Hauptquartier Poln. Neudorf.

?? August 1777

In Potsdam beim König waren in diesem Monat: der Russische Gesandte am Englischen Hofe Graf Muschin Puschin, der Minister von Finkenstein und die Generale von Buddenbrock und von Prittwitz.

B.

13. August 1777

Stirbt zu Busow der General-Lieutenant Otto von Schwerin, 76 Jahr alt.

14. August 1777

Stirbt in Berlin der General Karl Wilhelm von Dieskau von der Artillerie.


166-+ Der König hatte prophezeiht, daß der Kaiser Joseph auf seiner Reise nach Frankreich auch Voltaire'n besuchen würde, was aber nicht geschah.

166-++ Versuch über die Regierungsformen etc. H. W. VI. 45 - 74.