<35>nung nicht annehmen, die den Wahrheiten der Erfahrung zuwider läuft; Wahrheiten, die so einleuchtend, sind, daß selbst die Anhänger des Systems des Fatalismus demselben beständig zuwider handeln, sowohl in ihrem Privatleben, als in ihren öffentlichen Handlungen. Was heißt denn aber ein System, welches uns zu lauter Thorheiten verleiten würde, wenn wir uns buchstäblich darnach richteten?

Wir kommen nun zur Religion, und ich darf mir schmeicheln, daß Sie mich in diesem Punkt für einen unpartheiischen Richter halten. Ich denke, ein Philosoph, der es sich einfalen ließe, dem Volke eine ganz einfache Religion zu predigen, würde Gefahr laufen, gesteinigt zu werden. Fände er irgend noch einen völlig neuen Kopf, der noch für keinen Gottesdienst eingenommen wäre; so möchte es ihm vielleicht gelingen, diesen zu überreden, eine vernünftige Religion den durch so viele Fabeln herabgewürdigten Glaubenslehren vorzuziehen. Allein gesetzt auch, man brächte es dahin, die Religionen der Socrate und der Cicerone in einem Ländchen einzuführen; binnen Kurzem würde ihre Reinheit durch mannigfachen Aberglauben besteckt sein. Die Menschen verlangen Gegenstände, die auf ihre Sinne Eindruck machen, und ihrer Einbildungskraft Nahrung geben. Das sehen wir bei den Protestanten, die einem zu nackten, zu einfachen Gottesdienst anhängen; sie werden oft katholisch, bloß aus Liebe zu den Feiertagen, den Ceremonien und den schönen Kirchenmusiken etc., so z. B. der Landgraf von Hessen, Pöllnitz etc. Gesetzt aber auch, Sie könnten die Menschen so vielen Irrthümern entreißen, so bleibt noch die Frage übrig : ob sie der Mühe, sie aufzuklären, werth sind?"

22. Dezember 1770

Der König nach Berlin, wo er gewöhnlich an den sogenannten Geldtagen, wo der Soldat die Löhnung erhält, und auch zuweilen außer diesen, die Wachtparaden besieht. Es geschah dies in der Regel immer, wenn er mehrere Tage in Berlin blieb, eben so wie in Potsdam.