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Ein Mensch von schlechten Sitten und ohne Moralität vergißt sehr leicht seine Pflichten, und es müssen dergleichen Leute durchaus nicht bei der Justiz geduldet werden. Auch muß Euch dergleichen unwürdiges Subjekt auszustoßen keine Rücksicht auf dessen sonstige Geschicklichkeit, Familie, und andre dergleichen Considerations, abhalten.

Wenn Ich Mich solchergestalt von der Rechtschaffenheit Meiner Justiz-Kollegien versichern kann, so werde Ich auch Meiner Seits ihnen alle Gerechtigkeit widerfahren lassen, und einen jeden nach Würden ehren und belohnen; dagegen aber kenne Ich keine Strafe, die zu hart sein sollte, Leute damit zu belegen, die ihre Pflichten so weit hintanzusetzen im Stande wären, daß sie ihr Amt, welches zu Beschützung der Unschuld und Aufrechthaltung der Gerechtigkeit bestimmt ist, zur Unterdrückung und Vernichtung derselben mißbrauchen sollten.

Was zweitens die Prozesse anlanget, so will Ich wohl glauben, daß die ehemals obgewalteten groben Mißbräuche gehoben worden; im Grunde ist aber dennoch, wie Ihr Mir eingestehen müßt, diese Prozeß-Ordnung noch eben das unschickliche Gewebe des geistlichen Rechts, über welches ganz Deutschland schon seit verschiedenen Jahrhunderten geklagt hat.

Es ist wider die Natur der Sache, daß die Parteien mit ihren Klagen und Beschwerden von dem Richter nicht selber gehört werden, sondern ihre Nothdurft durch gedungene Advokaten vorstellen sollen. Diesen Advokaten ist sehr daran gelegen, daß die Prozesse vervielfältiget und in die Länge gezogen werden; denn davon dependiret ihr Verdienst und ihr ganzes Wohl.

Selbst der redliche Mann unter ihnen, welcher mit Hintansetzung seines Interesse die Pflichten eines guten Bürgers zu erfüllen wünschte, darf als Kläger oder Beklagte nicht offenherzig zu Werke gehen, weil sein Gegner eine umständliche Erzählung des Facti dahin mißbrauchen könnte, ihm eine Menge Beweise auf den Hals zu schieben, und ihn dadurch in ein Labyrinth zu führen, aus welchem er sich ohne Gefahr oder Verlust seines Rechts kaum wieder herauswickeln würde.

Denn wenn der Richter die Akten nicht eher in die Hand bekommt, als bis die Advokaten durch ihre Schriftsätze das Faktum nach Wohl-