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9. Oktober 1777

Besucht der König wieder die Prinzessin Amalie und geht dann nach Potsdam.

11. Oktober 1777

Der König an Voltaire :

- etc. - "In dem Verhältnisse, wie die Völker civilisirter werden, muß man auch ihre Gesetze mildern. Wir haben es gethan und befinden uns wohl dabei. Der Denkart der weisesten Gesetzgeber zufolge, glaubte ich, es sei besser, Verbrechen zu verhüten und zu verhindern, als sie zu bestrafen. Dies ist mir gelungen. Um Ihnen einen deutlichen Begriff hiervon zu geben, muß ich Sie mit unserer Bevölkerung bekannt machen. Diese beläuft sich nur auf 5,200,000 Seelen. Seitdem nun unsere Gesetze gemildert worden sind, werden bei uns im Durchschnitt jährlich nur 14, höchstens 13 Todesurtheile gefällt. Das kann ich Ihnen um so zuverlässiger sagen, da ohne meine Unterschrift Niemand zur Festungsstrafe, und eben so Niemand hingerichtet werden darf, wenn ich die Sentenz nicht bestätigt habe. Die meisten Delinquenten sind Kindesmörderinnen. Andere Mordthaten giebt es wenig, und noch seltener ist Straßenraub. Aber von den Geschöpfen, die so grausam gegen ihre Leibesfrucht verfahren, werden nur die hingerichtet, denen man die Mordthat beweisen kann. Ich habe alles gethan, was ich konnte, um diese unglücklichen Personen zu verhindern, ihre Kinder über die Seite zu bringen. Die Herrschaften müssen es gerichtlich anzeigen, wenn ihre Mägde schwanger sind. Ehemals nöthigte man diese armen Personen, öffentliche Kirchenbuße zu thun, aber das habe ich abgeschafft. In jeder Provinz giebt es Entbindungshäuser für sie, und man sorgt auch für die Erziehung ihrer Kinder. Allein, ungeachtet aller dieser Erleichterungsmittel, habe ich doch noch nicht dahin kommen können, ihnen das natürliche Vorurtheil, dessentwegen sie ihre Kinder tödten, aus dem Kopf zu bringen. Ehmals sah man es als eine Schande an, Personen zu heirathen, die Mütter waren, ohne einen Mann gehabt