Anmerkungen zum Jahre 1762.

Die Kaiserin von Rußland Elisabeth Petrowna, welche den 6. Dezember 1741 den Russischen Thron bestiegen, war eine Tochter Peter's des Großen und seiner zweiten Gemalin Catharina. Sie blieb unvermählt, dagegen hatte sich ihre Schwester mit dem Herzog Karl Friedrich von Holstein-Gottorp 1725 vermählt, aus welcher Ehe Karl Peter Ulrich den 11. Februar 1728 zu Kiel geboren ward. Am 18. November 1742 erklärte ihn die Kaiserin Elisabeth, nachdem er die Griechische Religion angenommen hatte, zum Russischen Großfürsten und zu ihrem Thronfolger. Er nahm dabei den Namen Peter Fedrowitsch an und vermählte sich den 1. September 1745 mit der Prinzessin Sophie Auguste Friederike, des Fürsten Christian August zu Anhalt-Zerbst Tochter. Sie war den 2. Mai 1728 zu Stettin geboren, wo damals ihr Vater als Preußischer Generalfeldmarschall und Commandant dieser Festung lebte. Bei ihrer Vermählung mit dem Großfürsten nahm sie die Namen Catharina Alexejewna an. Die außerordentliche Zuneigung und große Verehrung, welche der Großfürst für Friedrich d. G. hegte, und die er als Kaiser auf so ausgezeichnete und für den Preußischen Staat so beglückende Weise bethätigte, so wie sein beklagenswerthes Schicksal<198> und sein Tod sind allgemein bekannt. Friedrich der Große, als er die Trauerpost erhielt, sagte: "Was seind in Petersburg für Sachen geschehen! Ich schweige still, aber ich traure still vor aller Welt vor den ehrlichen und lieben Kaiser," und noch mehrere Jahre nachher sagte er einst mit Thränen in den Augen: "Ich werde Peter den Dritten ewig beweinen, er war mein einziger Freund, mein Retter, ohne ihn hätte ich unterliegen müssen."

Johann Ernst von Pirch war ein eben so talentvoller, als jovialer junger Mann. In den Anekdoten und Charakterzügen aus dem. Leben Friedrich's II, 13. Samml., S. 62 stehen einige von seinen lustigen Streichen, und man sagt, daß er die Veranlassung zu dem Lustspiele: "Pagenstreiche" gewesen sein soll. Da seine großen Fähigkeiten vom Könige nicht unbemerkt blieben, so übersah er ihm manchen muthwilligen Streich, wünschte aber um so mehr, daß er mehr Ernst und Fleiß anwenden möchte, seine natürlichen guten Anlagen weiter auszubilden etc. und überhaupt gesetzter zu werden. Er machte ihn endlich zum Officier, stellte ihn bei dem Regiment des Generals von Saldern, eines der auch in wissenschaftlicher Hinsicht gebildetsten und in jeder Beziehung achtungswürdigsten Officiere der Preußischen Armee 198-+, an, und empfahl ihn dessen besonderer Beaufsichtigung und Leitung. Eine solche Beschränkung konnte der lebhafte Geist des jungen Pirch nicht ertragen, er würde gern seinen Abschied verlangt haben, aber er wußte, daß der König diesen niemals ohne ganz besonders wichtige Gründe ertheilte. Um nun doch seinen Zweck zu erreichen und sich so von den Fesseln, welche ihm die strenge Aufsicht des Generals anlegte, zu befreien, stellte er sich krank und trieb seine Verstellung so lange und so weit, daß er nicht nur den General und die ihn umgebenden Personen, sondern selbst den Arzt täuschte. Dadurch wurde der General bewogen, selbst den König zu ersuchen, dem Lieutenant von Pirch wegen anhaltender Brustkrankheit, öftern Blutauswerfens etc. den Abschied zu ertheilen. Der König antwortete,<199> daß er an die Krankheit des P. nicht glaube, er kenne ihn allzu gut, und Saldern solle sich nicht von ihm täuschen lassen etc., doch auf die wiederholten Versicherlmgen des Generals gab er ihm den Abschied. Nun war Pirch sogleich gesund und ging in Französische Kriegsdienste 199-+, wo er das Preußische Exercitium einzuführen suchte. Es erschien auch wirklich ein neues, darnach eingerichtetes Exercier-Reglement, mit dessen Einführung bei den in Französischen Diensten stehenden Deutschen Regimentern der Anfang gemacht ward. Von Pirch stieg bald bis zum Obersten des Regiments Hessen-Darmstadt.
     

Als der König den General von Saldern bei der nächsten Revue sah, sagte er lächelnd zu ihm: "Sieht Er nun wohl, daß ich den Pirch besser gekannt habe, als Er?"

Voltaire in einem Brief vom 7. Dezember 1774 an den König erwähnt des Pirch mit folgenden Worten: "Vous savez que ce peuple de Velches a maintenant pour son Végèce un de vos Officiers subalternes, dont on dit que Vous fesiez peu de cas, et qui change toute la Tactique en france, de sorte que l'on ne sait plus où l'on en est." Darauf antwortet der König unter dem 27. Dezember : "Vous me parlez d'un jeune homme qui a été page chez moi, et qui a quitte le service pour aller en france, où pour trouver protection, il a époucé, je crois, une parente de la Du Barry. Si Louis XV n'étoit pas mort, il auroit jouer un rôle subalterneterne 199-++ dans ce royaume; mais actuellement il a beaucoup perdu; il est tort eventé, et je doute qu'il se soutienne à longue. Avec une bonne dose d'effranterie, il s'est annoncé comme homme<200> à talens; on a l'en a cru d'abord sur sa parole. Il lui faut une quinzaine de printems pour qu'il parvienne à maturite, il se peut alors qu'il devienne quelque chose."

Nach Thibault a. a. O. hatte sich Pirch in Straßburg verheirathet und einen Sohn erzeugt, welchen nachher der König Friedrich Wilhelm II in seine Dienste gezogen und bei der Garde angestellt haben soll 200-+, wo er noch im Jahre 1804 als Lieutenant gestanden.´

Der Oberst von Pirch machte in dem im Jahre 1779 zwischen England und Spanien ausgebrochenen Kriege, zu welchem auch Frankreich den Spaniern Hülfstruppen zur Belagerung Gibraltars sandte, die Expedition an der Spitze seines Regiments mit. Er starb im Französischen Lager bei Santa Maria in Spanien am 20. Februar 1783. Da er als Protestant nicht in geweihter Erde begraben werden konnte, so ward er mitten im Lager hinter seinem Zelte beerdigt. Sein Regiment, das ihm mit großer Liebe und Achtung zugethan - wie er denn auch überhaupt allgemein geliebt und geehrt - ließ an seinem Grabe ein Denkmal mit folgender Inschrift errichten :

"Sous cette tombe git Jean Ernest Baron de Pirch Colonel Commendant du Regiment Royal de Hesse-Darmstadt, Chevalier de l'ordre du mérite et du saint Sebasten, Chanoine de Magdebourg, mort le vingt Fevrier 1783 dans la trente neuvieme année de son age. Né en prusse, il apprit l'art de guerre sous Frédéric, passé en France il eut par ses talents et par ses vertus l'exemple de l'armée. Ce simple monument fut élevé à la postérité en marque de reconnoissance et de regrets, par son Regiment."


198-+ S. Küster's Charakterzüge des Pr. Generals von Saldern.

199-+ Nach Thiébault, in seinem Buche : Mes Souvenirs IV. 207, ging Pirch zuerst nach Hessen-Darmstadt, mit Empfehlungen des Prinzen von Preußen, mit dem er immer sehr harmonirt und eben dadurch sich den Unwillen des Königs zugezogen haben soll. Hier erhielt er die Anstellung in dem Hessen-Darmstädtischen in Französischen Diensten stehenden Regiment.

199-++ Die Deutschen Uebersetzungen haben alle: "eine nicht unbedeutende Rolle."

200-+ In der Rangliste von 1806 steht beim Regt. Garde ein Lieutenant von Pirch, und die 1327 neu aufgelegte Rangliste von 1806 mit Nachrichten etc. von diesem Jahre enthält sein ferneres Schicksal.