September.

A.

September 1762

Der König in Peterswalde bis den 23sten. Während dieser Zeit schrieb er hier auch das kleine Gedickt: "Im Namen eines Schweizers." (H. W. VII. 167).

6. September 1762

Der König an d'Argens :

"Sie sind ohne Widerrede der artigste von allen Marquis, da Sie mir so schöne, so hübsch vergoldete Bücher schicken 179-+.<180> Es fehlt nichts daran, mein Lieber, als der Inhalt, der geringfügig und des Einbindens nicht werth ist. Indeß danke ich Ihnen doch für Ihr gütiges Andenken an mich. Ich wünsche dem Buchhändler Glück, daß er Gelegenheit findet, seine Auflage in Rußland abzusetzen; wahrscheinlich werde ich nur in diesem Lande für einen guten Französischen Dichter gelten können. Vielleicht glaubten Sie, mir meine Belohnung für die Belagerung von Schweidnitz zu schicken, aber da haben Sie Sich geirrt, mein Lieber. Ich bin im Erobern der Festungen eben so ungeschickt, als im Versemachen. Ein gewisser Griboval, der kein Dummkopf ist, und zehntausend Oestreicher haben uns bis jetzt aufgehalten, etc. — etc. Ich bestelle die Postillone, die ich mir schmeichele, Ihnen bald schicken zu können, um Ihnen den glücklichen Vorfall zu verkündigen, den ich von heute an fast für zuverlässig halte. Dann werden neue Verlegenheiten kämmen; aber daran wollen wir jetzt nicht denken, und, ohne uns sehr über das Zukünftige zu beunruhigen, die Schwierigkeiten heben, je nachdem sie uns aufstoßen. Das ist Philosophisch, mein lieber Marquis. Sie sehen, was für Fortschritte ich mache; allein gewiß würde jeder Andere eben so gut, wie ich, ein zweiter Mark Aurel geworden sein, wenn er sieben Feldzüge hindurch dem Zufalle zum Balle und den überwiegenden Mächten zum Spott gedient hätte. So ist man Philosoph, weil man muß; allein es ist immer gut, daß man es ist; die Art, wie man es wird, thut nichts zur Sache. Leben Sie wohl, mein lieber, gottlicher Marquis. Sein Sie ruhig und erwarten Sie gelassen, was jenes, ich weiß selbst nicht Was, das über die Entwürfe der Menschen spottet und Alles auf eine unerwartete Art anordnet, über uns bestimmt hat. Mein Compliment an die gute Babet."

23. September 1762

Der König nimmt sein Hauptquartier in Bögendorf, um der Belagerung von Schweidnitz näher zu sein, und, da die Erooberung der Festung sich so lange verzögert, die Operation<181> selbst zu leiten. Bei ihm befand sich auch der Prinz von Preußen. Er besichtigte gleich nach seiner Ankunft die Laufgräben und die Parallelen vor Schweidnitz.

24. September 1762

Der König recognoscirt die Festung, wobei dem ihn begleitenden Pagen Joh. Ernst von Pirch 2) das Pferd unter dem Leibe todt geschossen wurde. Er fiel mit den Rippen auf das Gefäß seines Degens, so daß es sich ganz krumm bog; Mit den Geberden des größten Schmerzes wollte er zurückeilen; der König mochte vielleicht glauben, dies geschehe aus Furcht, daher er ihn, befahl, erst den Sattel abzuschnallen und mitzunehmen, was der Page auch that.

26. September 1762

Der König an d'Argens:

"In der That muß ich mich bei Ihnen sehr entschuldigen, lieber Marquis, daß ich Ihnen das Ende unserer Belagerung so zuversichtlich auf den 12ten dieses Monats ankündigte. Wir sind noch dabei; die Minen haben uns sehr aufgehalten. Jetzt haben wir den bedeckten Weg, und da nun das größte Hinderniß gehoben ist, so wird, wie ich mir schmeichle, das Uebrige geschwinder gehen. Wir müssen sechs Wochen anwenden, um eine Festung wieder zu erobern, die wir in zwei Stunden verloren haben! Dies macht unsrer Geschicklichkeit oder unserm Muthe eben keine Ehre. Ich bin selbst hierher gegangen, um so viel als möglich unsre Arbeiten vorwärts zu bringen, und das Werk zu beschleunigen. Künftig will ich nicht mehr Prophet sein oder Ihnen den Tag der Uebergabe bestimmen; allein ich glaube, daß es sich wohl noch einige Tage damit hinziehen kann. Griboval's Genie vertheidigt den Ort mehr, als die Tapferkeit der Oestreicher. Täglich macht er uns neue Chicanen von allen Arten. Kurz, mein Lieber, ich muß hier den Ingenieur und Minirer spielen. Am Ende müssen wir unsern Zweck wohl erreichen. Jetzt machen wir eine Mine, um die Enveloppe zu sprengen. Ich erwarte ihre Wirkung. Nachher wollen wir auf das Fort, das wir angreifen, Sturm laufen, und wahrscheinlich wird<182> dies den Commandanten nöthigen, zu capituliren. Sind wir damit in Ordnung, so giebt es noch viel zu thun, ehe wir zum Frieden kommen. Doch jetzt nichts mehr davon, wir wollen die Schwierigkeiten nach und nach heben, überlegen, was heut zu thun ist, und morgen daran denken, was für Maßregeln die verschiedenen Conjunkturen von uns fodern. Nun wissen Sie, lieber Marquis, wie es jetzt mit uns steht. Ertragen Sie unsere Ungeschicklichkeit und Ignoranz mit Geduld. Ihre Ernte wird desto besser und reicher sein, und was sich lange erwarten läßt, ist angenehmer, als was man sogleich bekommt.

Das wäre alles Neue, was ich Ihnen sagen kann; denn meine Freundschaft gegen Sie ist schon sehr alt und auch sehr dauerhaft. Leben Sie wohl."

27. September 1762

Der König an Ebendenselben :

"Gern möchte ich Ihnen sagen, mein lieber Marquis : Schweidnitz ist erobert; allein noch haben wir es nicht. Vier Wochen sind wir durch Minen chicanirt und aufgehalten worden. Jetzt stehen wir bei den Pallisaden. Gestern ließ der Feind eine Mine springen, die einen von unsern Posten zerstörte; heute ist der ganze Tag dazu angewandt worden, ihn wieder herzustellen. Kurz, man muß Geduld haben, denn Griboval vertheidigt sich wie ein Mann von Ehre. Bringen Sie in Anschlag, mein Lieber, daß die Besatzung beim Anfang der Belagerung aus 11000 Mann bestand. Zastrow hatte nur 3000. Ganz ist er deswegen nicht ohne Schuld; indeß bleibt es doch ausgemacht, daß Drei fast nur der vierte Tbeil von eilf ist, und daß sich diese Leute besser vertheidigen können, als er.

Bei der Revolution in Rußland haben Sie die Kolik bekommen; der Grund liegt darin, daß Alles, was mich betrifft, lebhafte Eindrücke auf Sie macht. Indeß, wenn es angeht, so geben Sie mir durch Wohlbefinden Beweise von Ihrer Freundschaft, Trinken Sie den Brunnen in Sanssouci, so<183> wie Sie es Ihrer Gesundheit zuträglich glauben, und ich wünsche herzlich, daß er diese wiederherstellen mag. Ich für mein Theil bin an Unglück und Widerwärtigkeiten so sehr gewöhnt, und werde gegen alle Vorfälle in dieser Welt so gleichgültig, daß ich das jetzt fast gar nicht fühle, was sonst die tiefsten Eindrücke auf mich gemacht hätte. Wirklich bin ich, wie ich Sie versichern kann, lieber Marquis, in der Ausübung der Philosophie etwas weiter gekommen. Ich werde alt, nähere mich dem Ziele meiner Tage, und meine Seele reißt sich unvermerkt von diesem vergänglichen Erdenrunde los, das ich bald verlassen werde.

Meine Lage im verflossenen Winter, die Revolution in Rußland, die Treulosigkeit der Engländer — — was für Veranlassungen, vernünftig zu werden, wenn man darüber nachdenkt? und wer wollte sich wohl seine ganze Lebenszeit hindurch in dieser schlimmsten der möglichen Welten encanalljiren? Ich erwähne nur einige Ursachen meines Ekels vor ihr, aber während des Krieges sind mir so viele aufgestoßen, daß die Reizbarkeit meiner Seele erschöpft ist, und sich nun eine Hülle von Indifferenz und Unempfindlichkeit um sie gebildet hat, durch die ich beinahe ganz untauglich werde. Wir haben hier weder einen Neptun, noch einen Apoll zum Gegner, sondern einen Griboval mit 8000 Mann und Minirer, die uns sehr in der Geduld üben. Es giebt in Schweidnitz keine schöne Helena, aber uns fehlt auch ein Achill, aus dem ich mir mehr machen würde, als aus dem heiligen Nepomuk, dem heiligen Dionys und dem heiligen Nicolaus. etc.

Ich schreibe Ihnen gerade so, wie ich denke. Sie werden ein wenig Langeweile dabei haben, indeß glauben Sie, daß es Linderung ist, sein Herz auszuschütten, nehmen Sie ein wenig Rücksicht auf die Lage, in der ich mich befinde. Leben Sie wohl. etc."

In Bögendorf beschäftigte sich der König auch mit Fleu<184>ry'S Kirchengeschichte, aus welcher er Auszüge machte und eine Probe davon in Versen (den 30. September) an Catt sandte.

B.

7. September 1762

Der Feldmarschall Serbelloni nimmt seinen Abschied, und der General Haddick tritt an seine Stelle.

13. September 1762

Der Prinz Ferdinand, Bruder des Königs, wird zum Heermeister des Johanniter-Maltheserordens erwählt.

21. September 1762

Die Alliirten unter General Zastrow schlagen die Angriffe des Prinzen Xaver von Sachsen und des Generals Castris bei der Brückenschanze an der Ohm zurück und behaupten ihre Stellung. Dagegen nehmen die Feinde das Schloß Amöneburg.

22. September 1762

Cassel wird von den Alliirten noch enger eingeschlossen.

27. September 1762

General Kleist, der sich mit seinem Corps aus Böhmen wieder nach Sachsen zurückgezogen und bei Porschenstein eine Stellung genommen hatte, muß sich vor den Prinzen Löwenstein und Campitelli, deren Macht er nicht gewachsen ist, noch weiter nach Dorf Chemnitz etc. und dann nach Mulda, nach Freiberg zu, zurückziehen.

29. September 1762

Der Feind dringt immer weiter nach Freiberg und nach Frauenstein zu, wo der Prinz Heinrich sein Lager hatte, vor, und drängt die kleinen Preußischen Corps zurück.


179-+ Es waren zwei Exemplare von des Königs Poësies Diveres. Eine neue Ausgabe in Taschenformat, von Beausobre besorgt. D'Argens schrieb dabei, daß die Russ. Officiere davon 900 Exemp. bestellt hätten.