April.

A.

April 1762

Der König in Breslau.

1. April 1762

Der König an d'Argens :

"Bis jetzt bin ich weder todt, noch begraben; mein Fieber hat mich verlassen, und ich befinde mich wie jeder andere Mensch. Ihre Einbildungskraft malt Ihnen die Zukunft mit einem schmeichelhaften Pinsel; allein die meinige, die minder lebhaft und lachend ist, zeigt mir nur Verwirrung, Mühe, Schwierigkeiten, Gefahren und Unglücksfälle, die uns drohen. Ich habe zwar Nachrichten von Soliman erhalten, allein die Angelegenheit ist noch nicht geendigt. Man unterhält mich mit schönen Hoffnungen und ich brauche Thaten. Indeß soll ich doch gegen den 10ten einen Kourier bekommen, der mir Mosen und die Propheten mitbringen wird.

In Rußland geht Alles nach Wunsch, von dort her kann ich nicht eher als den 16ten oder 18ten dieses Monats zuverlässige Nachrichten erhalten. Lassen Sie uns also warten, lieber Marquis, Geduld! denn das Alles ist für mich eine Schule der Geduld, in der meine Lebhaftigkeit erstorben ist. Ich tauge nur noch zum Vegetiren, das Oel meiner Lampe ist mit dem Docht verzehrt; höchstens würde ich noch ein Karthäuser werden können. Sehen Sie nun zu, was mit mir anzufangen ist, wenn der Friede ja zu Stande kommt; etwa Farben für die Marquise zu reiben oder Noten für Ihre Gambe zu copiren. Beruhigen Sie Sich, mein Lieber, sein Sie wegen meiner Gesundheit ohne Sorgen, und schreiben Sie mir alle Nachrichten, die Sie nur können, besonders litterarische. Leben Sie wohl, mein Lieber, ich umarme Sie."

8. April 1762

An Ebendenselben:

"Sie sind munter und fröhlich, mein lieber Marquis, und<141> ich will Sie durch meine schwermüthigen Träume nicht traurig machen. Uebrigens thut es nichts, ob man traurige oder frohe Gedanken hat. Alles geht seinen Gang; und das Ende mag gut oder böse sein, man muß es sich gefallen lassen und seinen Verdruß in sich schlingen, wenn einem das Schicksal zuwider ist.

Ich stecke jetzt in Unterhandlungen bis über die Ohren; in Petersburg geht Alles nach Wunsch, und ich getraue mir, Ihnen zu sagen, daß das Land, von dem Sie nichts hoffen 141-+, Alles, was ich von ihm erwarte, erfüllen wird; aber einen Monat später, als ich es wohl gewünscht hätte. Zu Ende des Mais wird das gute Europa einen schönen Lärm erleben, und auf die Art werden wir das Ende dieses verwünschten Krieges finden.

Jetzt lese ich Fleury's Geschichte noch einmal, die mir ganz wohl gefällt; sie wird bis zum Juli vorhalten; es ist eine derbe Schüssel, die auf einen halben Feldzug Nahrung giebt.

Weiter sage ich Ihnen jetzt nichts, mein lieber Marquis. Ich erwarte große Neuigkeiten, die ich Ihnen ganz wann schicken werde, sobald ich sie bekommen habe. Leben Sie wohl, mein Lieder, ich umarme Sie."

14. April 1762

Der König an Catt :

"Ich danke Ihnen für das Ueberschickte, so wie für die Bücher, die ich aufsammle, um, wenn ich leben bleibe, meiner Seele im künftigen Winter Nahrung zu geben. Ich bewundere Sie, mein Lieber, mit ihren guten Hoffnungen und Combinationen. So einen lebendigen Glauben, wie Sie, habe ich nicht. Von der Zukunft seh' ich so wenig als ein Puter etwas zuvor, und finde, daß ich von Auflaurern, Fallstricken<142> und Abgründen umringt bin, ohne bis auf den heutigen Tag zuverlässige Nachrichten zu haben, den 20sten werden sie sowohl von Rußland als von Constantinopel eintreffen. Sagen Sie dem guten Marquis, sobald ich angenehme Botschaft für ihn hätte, würde ich sie ihm auf das Schnellste mittheilen. Wissen Sie inzwischen insgesamt, daß der Friede mit den Schweden und den Russen zu gleicher Zeit wird geschlossen werden.

Jetzt lese ich im Fleury, da aber meine Plackereien wieder angehen, will es mit meiner Lektüre nicht so fort, wie in diesem Winter. Ich freue mich auf Ihre Rückkehr. etc.

Ouintus spricht mir von Deutschen Büchern, die ich weder kenne, noch kennen lernen mag. Ich habe ihm die Annalen aller berühmten Beutemacher von Karl V an, bis zu unsern Zeiten, ad usum legionum grassatorum versprochen. Leben Sie wohl, mein Lieber, und kommen Sie bald wieder."

?? April 1762

An den Marquis d'Argens :

"Ich wünschte Ihnen alle Tage angenehme Nachrichten geben zu können, lieber Marquis. Diesmal giebt es nichts, als daß Schweden unverzüglich Frieden machen wird; so wie ich auch vermuthe, den 20sten den Abschluß unsers Friedens mit Rußland zu bekommen. Um eben diese Zeit werde ich auch Nachrichten aus dem Orte haben, wo Sie mit dem Herrn von Andresse gewesen sind 142-+. Auch aus den Gegenden, die vor alten Zeiten Mithridat beherrschte 142-++, sind mir Dinge gemeldet worden, die mir viel Vergnügen machen, nur ist der Unterschied dabei, daß das Gute einen Monat später kommen wird.

Ungeachtet so vieler günstigen Aussichten habe ich von gewissen Seiten, woher ich es in der That nicht erwar<143>tete 143-+, so viel Verdruß, als Sie Sich nicht vorstellen können. Kurz, ich glaube von Ewigkeit her dazu bestimmt zu sein, daß ich in meinen alten Tagen meine Geduld auf alle mögliche Art geprüft sehen soll. Herr, dein Wille geschehe! Nun wohl, Marquis, ich will geduldig werden, und damit gut. Wenn wir die Rechnung machen, habe ich am Ende noch gewonnen.

Daun, und fast die ganze Oestreichische Armee, wird hier auf mich losgehen; gewiß giebt es hier viel zu thun, und ohne eine gute Diversion wird es Mühe kosten, den Krieg zu endigen. Leben Sie wohl, mein guter Marquis, lieben Sie mich immer ein wenig, und sein Sie von meiner Achtung überzeugt."

?? April 1762

von Catt kommt nach seiner Genesung von Berlin wieder nach Breslau zum König.

29. April 1762

Der König an d'Argens :

"Schon fing ich an, wie eine Blume zu welken, die man lange nicht begossen hat, als mir Catt Ihren Brief zustellte. Dieser göttliche Thau hat mich wieder erquickt und mir neues Leben gegeben. Es ist drollig, lieber Marquis, daß Sie mit einer Arbeit über das Neue Testament beschäftigt sind, und ich mit den Kirchenvätern. Welcher Dämon hat uns auf diesen Einfall gebracht? Sagen Sie mir, welche Sympathie<144> hat unsern Geist zu gleicher Zeit auf diese ähnlichen Gegenstände gelenkt? Wir beide wissen, glaub' ich, kein Wort davon. Ich gestehe Ihnen, daß ich über die äußerst große Verirrung des menschlichen Verstandes erstaune, so oft ich die Zänkereien über Glaubenslehren und Geheimnisse lese.

Doch ich sage Ihnen nichts, was Sie nicht schon wüßten, und sehe es Ihnen an, daß Sie gute Nachrichten verlangen. Ich bin so glücklich, Sie bedienen zu können, wie Sie es wünschen. Von Rußland erwarte ich den Kourier mit dem Friedenstractat, und von Schweden die Alliance. Die Unterhändler jagen alle Pferde todt, um einzutreffen und sogleich den Frieden zu unterzeichnen. Das ist noch nicht genug; Mithridat's Nachfolger geht jetzt zu Felde und schickt mir ein großes Hülfscorps. Jene Völker, welche die Sonne bei ihrem Aufgange bescheint, sind gleichfalls in Bewegung; die Verträge sind geschlossen, Alles ist zu Stande gebracht, so daß wir auf die gänzliche Erfüllung meiner Hoffnungen rechnen können. Diese Nachrichten haben etwas auf sich warten lassen; allein sie sind gut, daß man ihnen die Langsamkeit verzeihen kann. Jetzt hoffe ich also mit Grund, daß unsere Mühseligkeiten sich mit dem gegenwärtigen Jahre endigen werden.

Catt hat mir gesagt, daß der arme Graf Gotter so gut als in den letzten Zügen liegt. Ach! so werde ich denn in Berlin Nichts wiederfinden, als Mauern und Sie, mein lieber Marquis! keinen Bekannten, Niemand mehr, und ich werde die ganze unglückliche Generation überlebt haben! Ich muß abbrechen, weil ich ein Geschäft bekomme. Bei Muße werde ich Ihnen nächstens mehr sagen. Leben Sie wohl, mein lieber, guter, einziger Marquis. Ich umarme Sie von ganzem Herzen."

B.

1. April 1762

Der Russische General Graf Czernitschef verläßt Breslau<145> und begiebt sich zu seiner Armee, welche durch Polen zurückmarschirt 145-+.

2. April 1762

Stirbt in Cosel der General-Lieutenant und Commandant der Festung Christoph Friedrich von Lattorf.

5. April 1762

Der bisher in Russischer Gefangenschaft gewesene General-Lieutenant von Werner kommt aus Petersburg in Berlin an.

7. April 1762

Zwischen Preußen und Schweden wird durch den Herzog von Würtemberg Preußischer Seits, und den General-Lieutenant von Ehrenswerd von Seiten Schwedens ein Waffenstillstand zu Ribnitz und Rostock geschlossen.

9. Februar 1762

Der Kaiser von Rußland läßt durch seinen Gesandten, den Fürsten Gallizin, dem Wiener Hofe eine Schrift überreichen, worin er erklärt, daß er nun diesem langen und blutigen Kriege ein Ende machen etc., und mit dem Könige von Preußen Frieden schließen werde, und den Rath hinzufügt, daß der Wiener Hof diesem Beispiele folgen möge etc.

In der Mitte dieses Monats kommen die in Russischer Kriegsgefangenschaft gewesenen Cadetten wieder in Berlin an.

18. April 1762

Stirbt der Commandant von Stettin, General-Major von Podewils.

20. April 1762

Stirbt in Neisse der Commandant dieser Festung, Gen.-Lieut. Joachim Christian von Treskow.


141-+ Die Türkei, mit welcher der König unterhandeln läßt, daß sie den mit Oestreich eingegangenen Waffenstillstand aufheben soll. (Siehe hinterl. Werke IV. 266 etc.).

142-+ Die Türkei. Siehe erste Abtheilung S. 73.

142-++ Die jetzige Krimm, die damals unter dem Chan der Tataren stand.

143-+ Der König meint England. Hier hatte nach George's II Tode der Günstling George's III, der Lord Bute, zum Verdruß des Engl. Volkes großen Einfluß auf die Regierung erlangt, wodurch Pitt bewogen wurde, seinen Abschied zu nehmen. Bute, der nun Pitt's Stelle einnahm, war Friedrich II wenig geneigt. Er verhinderte nicht nur die Erneuerung des zwischen England und Preußen früher geschlossenen Subsidienvertrages, sondern bemühete sich auch eifrigst, mit Oestreich einen einseitigen Frieden zu schließen, und den Kaiser von Rußland zur Fortsetzung des Kriegs gegen Preußen zu bewegen etc. (S. h. W. IV. 251. 256 etc.).

145-+ Der König in den h. W. IV. 261 sagt irrig : Der General Czernitschef habe vom Kaiser Befehl erhalten, "unverzüglich aufzubrechen (von Glatz, wo er stand), um zur Armee des Königs zu stoßen und mit ihr gemeinschaftlich Krieg zu führen." Dieser Befehl erschien erst später, als die Auffoderung des Kaisers vom 23. Febr. an die verbündeten Höfe, und besonders noch vom 9. April an den Wiener Hof, ohne Erfolg blieb, und die Czernitschefschen Truppen auf ihrem Rückmarsch schon bei Thoren angelangt waren. Selbst im Friedenstractat vom 5. Mai war noch festgesetzt, daß dieses Corps durch Schlesien und Polen zurückkehren sollte.