Dezember.

A.

Dezember 1761

Der König bei Strehlen in Woiselwitz. Außer dem allerdings sehr wichtigen Verlust der Festung<127> Schweidnitz hatte den König in diesem Feldzug kein bedeutend harter Schlag gekostet, wie dies in den vorigen Feldzügen mehrmals geschehen war, aber — die Kräfte schwanden immer mehr, es fehlte an Menschen, es fehlte an Geld, alle Hilfsquellen waren erschöpft. In diesem ganzen Feldzuge hatte der König nur vertheidigungsweise verfahren, und mit der größten Anstrengung aller geistigen und materiellen Kräfte sich kaum gegen seine vielen, ihm weit überlegenen Feinde aufrecht erhalten, viel weniger verhindern können, daß die Feinde in seinem Staate, wie in Sachsen, immer mehreren und freieren Spielraum gewannen. Mit voller Wahrheit sagt der König in seiner Epistel an d'Argens :

"Selbst Plane Cäsar's, Condé's und Eugen's
Sind ganz umsonst, da Rettung uns gebricht.
Der Himmel müßte, meinen Wünschen hold,
Nun seinen Wunderarm verherrlichen!
Die Mittel sind erschöpft, und Klugheit, Muth
Erliegen der Gewalt, der Uebermacht."etc.

21. Dezember 1761

In dieser wahrhaft hoffnungslosen Lage schrieb der Konig die "Rede des Kaisers Otho an seine Freunde" nach dem Verlust der Schlacht bei Batriacum. (H. W. VII. 138 etc. Darin läßt er ihn unter anderm sagen :

- etc. - "Zu lang Hab' ich gelebt, wenn einst die Welt
Es weiß, daß Edelmuth mich sterben hieß,
Daß Otho, da er Rom am Abgrund sah,
Es zu erretten seinen Tod beschloß. etc.
Klagt nicht um mich; kein Uebel ist der Tod,
Ein jeder Mensch bezahlt ihm seine Schuld.
Heil dem, der seiner letzten Stunde noch
Der Tugend Siegel aufzudrücken weiß!
Erlischt der Geist im Todesaugenblick,
Dann fühlt er Sorgen, Schmerz und Noth nicht mehr.
Und wenn der Schlag, der diesen schwachen Bau
<128>Zerstört, doch meinen Geist nicht treffen kann —
Ich finde Götter dort (der Frevler kennt
Sie nicht), die schwacher Tugend Lohn verleih'n."

2. Dezember 1761

Der König an d'Argens:

"Da haben Sie, mein lieber Marquis, die Abänderungen, die ich im Stoiker gemacht. Lassen Sie ihn corrigiren und vom kleinen Wilhelm für Sich abschreiben. Ich habe noch einige andere Stücke, nur mag ich sie der Post nicht anvertrauen, unter andern die Rede des Kaisers Otho etc., womit Sie, wie ich glaube, zufrieden sein werden.

Die schlechte Witterung nöthigt mich, nach Breslau in die Winterquartiere zu gehen, den 5ten dieses werde ich dort sein. Das ist Alles, was dies Jahr Gutes gewirkt, mehr sag' ich nicht davon. Leben Sie wohl, mein Lieber, vergessen Sie mich nicht und halten Sie Sich von meiner Freundschaft überzeugt."

8. Dezember 1761

In derselben Stimmung, in welcher der König am 1. Dezember die Rede des Kaisers Otho geschrieben hatte, schrieb er jetzt: "Kato von Utika an seinen Sohn und seine Freunde, ehe er sich das Leben nahm." (H. W. VII. 143).

Am Schlüsse derselben heißt es:

"Wer Vaterland und Freunde fallen sieht,
Und dann noch lebt, der ist ein feiger Sklav,
Dem Edleren gebeut die Pflicht : nun stirb!"

9. Dezember 1761

Der König in Breslau.

13. Dezember 1761

Der König an d'Argens :

"Hätte ich weiter nichts zu thun, als meine Epistel zu corrigiren; so würden die kleinen Abänderungen, die Sie verlangen, bald gemacht sein. Allein ich habe gegenwärtig eine Menge von Geschäften unter Händen, die samt und sonders eine große Aufmerksamkeit erfodern. Der bewußten Person, über die Sie an mich schreiben lassen, habe ich in Chiffern geantwortet, und beziehe mich deshalb auf Ihren Committenten, daß er Ihnen Auskunft darüber geben wird. Das fehlte<129> noch unsern, monströsen Jahrhundert, den Porporino als Vater zu sehen, um die physischen Widersprüche mit den politischen beisammen zu haben. Nach Allem, was ich erfahren habe, bin ich zu Allem gefaßt, und wundere mich über Nichts mehr.

Ich wohne hier, Marquis, unter dem Schutt und den Trümmern in meinem Hause, wo einige Zimmer zurecht gemacht sind, und in den andern liegt Alles bunt über Eck.

Die Bücher, die ich von Berlin bekommen habe, sind mein Trost und mein Vergnügen; ich lebe mit ihnen und auf sie schränke ich meine Gesellschaft und meinen Zeitvertreib ein. Ich habe "Die schönen Künste zurückgeführt auf einen Grundsatz" gelesen; das Buch ist voll guter Lehren für junge Leute, doch giebt es Punkte, worin ich mit Batieux nicht übereinstimme. Ich bin gewiß, daß, wenn Sie das Buch gelesen haben, Sie nicht allem beipflichten werden, was er über Harmonie und nachahmende Laute sagt. Das procumbit humi bos des Virgil ist demselben entfahren, ohne daß er daran gedacht, die Langsamkeit des Stiers oder eines andern niederfallenden Thieres durch Töne zu malen. Das traça à pas tardifs un penible sillon des Boileau hat den Vortheil ganz eigenthümlicher Ausdrücke. Und das ist es, worauf Virgil und jeder andere gute Schriftsteller bedacht ist, und nicht Laute nachzuahmen; sonst würde Rousseau mit seinem Brequequekax über den Racine gehen. Außerdem setzt der Professor, ins Griechische verliebt, den Homer in allen Stücken über den Virgil, mutzt dem Letzteren hartnäckig einige Fehler auf und bemäntelt und verschweigt des Ersten seine. In Sachen des Geschmacks traue ich eher dem Eindruck, den ein Werk auf mich macht, als allen Grübeleien eines Gelehrten. Es ist ganz sicher und fest, daß Virgil unterhält, Homer dagegen Langeweile macht. Es giebt schöne Schilderungen im Homer, er war der erste, und das ist sein Vortheil. Allein nur zweimal spricht er zum Herzen; ein<130> mal beim Abschied des Hektor und der Andromache, das andere Mal, als Priamus den Leichnam seines Sohnes vom Achill sich erbittet, wogegen der Lateinische Dichter von einem Ende zum andern voll rührender Züge und mannigfaltiger Anmuth ist. Beinahe eben so urtheilt er über Corneille und Racine. Große Empfindungen allein, auch noch so stark ausgedrückt, machen noch kein Trauerspiel, und mehr hat Corneille nichts; da im Gegentheil eine gute Anlage, eine glückliche Verbindung der Auftritte und eine durchgängige Eleganz Racine's Verdienste ausmachen.

Ich habe gestern die Alceste und den Amasis des la Orange gelesen; zwei abscheuliche Stücke, wo die Personen meist wie Rasende sprechen, und wo es eben so sehr an Wahrscheinlichkeit, als Haltung der Charaktere fehlt. Die Verse sind matt und schlecht, kurz diese Stücke haben den Ruf ihres Autors sehr bei mir heruntergesetzt. Die Franzosen haben im Grunde nur drei tragische Dichter, Racine, Crebillon und Voltaire; die andern sind nicht auszuhalten."

26. Dezember 1761

An diesem Tage schrieb der König die Fabel : "die Violine." Obschon darin kein Trübsinn, wie in den beiden vorstehenden Reden herrscht, so zeigt doch die Moral am Schluß:

Die Kunst, und ist sie noch so groß,
Kommt ohne Mittel doch zu kurz,
daß sie die Hülflosigkeit seiner Lage bezeichnet.

28. Dezember 1761

Der König an Mitchel 130-+. (Epistel XVI. H. W. VI. 293).

Ueber den Ursprung des Nebels.
So dringe denn bis auf des Zweifels Grund
Und sag', weshalb ein doch gerechter Gott
Die Unschuld wie den Frevler leiden läßt.
Mich trifft ein schreckenvolles Loos; allein
<131>Verdien' ich es? Und ist es möglich wohl,
Daß Gott dem Sohn des Staubes zürnen kann?
Und war' er ungerecht — o Himmel.' welch
Ein schrecklicher Gedanke! Blindheit ist
Nothwendig dann; und Irrthum nur mein Loos.
Von einem höchst vollkommnen Wesen kam
Das Uebel nicht; was ist sein Ursprung sonst?
Wo strömt es her? wer war es, der es schuf?
So laß uns sehn, ob aus dem Zweifel nicht
Ein minder klippenvoller Weg uns führt.
Denk Dir (doch unverletzt sei der Altar)
Die Gottheit ewig und das Weltall auch.
Der Mensch mit Denkkraft und das kriechende
Insekt sind beid' aus niederm Stoff gezeugt.
Die Unvollkommenheit verbirgt sich nicht,
Und fühlen muß ein jedes Wesen sie.
Wenn man sich Gott als Schöpfer dieses Werks
Nicht länger denkt, so muß das Uebel sein,
Mein Erbtheil wird es dann. — So klag' ich denn
Und murre nie, wenngleich mein Auge sieht,
Daß Tugend leidet, seufzt; daß Lasterthat,
Mit ungerechtem Siege, daß sie frech
In wildem Rausch die Schwachheit unterdrückt.
Dies hemmt' ein Schöpfer ganz gewiß; doch Gott
Kann bis zu uns sich nicht erniedrigen.
Auf allgemeine Vorschrift nur beschränkt
Er sein Gesetz. etc."

B.

3. Dezember 1761

Der Lieutenant von der Golz und Mustapha Aga verlassen Breslau, um sich zum Chan Kerim Geray zu begeben.

16. Dezember 1761

Die Festung Colberg muß sich nach viermonatlicher tapferer Verteidigung durch den Oberst von der Heyde den Russen, unter Romanzeow, ergeben, weil alle Lebensmittel aufgezehrt waren.

<132>

In diesem Monat kommt ein zweiter Gesandter des Chans der Tataren nach Breslau zum König und bestätigt die Anträge des ersten.

Zum ersten Male während dieses Krieges nahmen jetzt Russen und Oestreicher ihre Winterquartiere in den Preußischen Ländern. Die ersteren in Pommern, die letzteren in Schlesien.

Die Russen beherrschen den Strich Land längs dem rechten Ufer der Oder und der Warthe bis gegen Driesen, von da längs der Grenze der Neumark und Schlesien bis gegen Breslau, wodurch der König nicht allein Pommern, sondern auch den größten Theil der Neumark verlor.

In Schlesien war das ganze Gebirge und der größte Theil der Fürstentümer Münsterberg, Schweidnitz, Jauer, Liegnitz etc. in den Händen der Oestreicher, auch in Sachsen hatten die Feinde die Uebermacht und der größte Theil war in ihrem Besitz.

Die Armee des Königs war aufs Höchste nur noch 30000 Mann, die des Prinzen Heinrich 25000 Mann stark, und der Prinz von Würtemberg hatte ungefähr 5000 Mann.


130-+ Mitchel, Englischer Gesandter am Berliner Hofe, war während dieses Krieges lange Zeit als Gesellschafter beim König.