Mai.

A.

Mai 1760

Der König in Schlettau bei Meissen, indeß datirt derselbe fast alle seine Briefe etc. aus Meissen, wo er jedoch während der langen Zeit, daß er sein Hauptquartier in Schlettau hatte, öfters auch gewesen sein mag.

1. Mai 1760

Der König "im Porzellan-Quartier Meissen" an Voltaire : Der Brief beginnt mit Versen, deren Schluß so lautet :

"Allein ich selbst — ich schränke mich
In meine wahren Grenzen ein,
Und schmeichle niemals mir, daß ich
Den Helden und den Dichter Rom's
Auf meinem Pfad erreichen will.
Ich strebe nur nach dem Verdienst,
So klein es ist, dass ich der Trost
Der Wittwen und der Waisen sei."

Dabei überschickte ihm der Konig noch andere Poesieen. Eine Ode au die Deutschen (hinterl. Werke VI. 191); Epistel an d'Alembert (hinterl. Werke VI. 276, wo sie jedoch das Jahr 1761 hat); eine andere: Ueber die Eröffnung des jetzigen Feldzugs, und eine Erzählung (hinterl. Werke VII. 111, IX. 231), und sagt: "Das Alles war gut, mir die Zeit zu ver<17>treiben; aber ich wiederhole unaufhörlich : doch auch nur dazu. etc.

Sie scherzen über den Frieden — etc. Wie auch Herr von Choiseul gesonnen sein mag, so wird er doch mit der Zeit Dem, was ich mir ausgedacht habe, sein Ohr hinhalten müssen, und zwar recht sehr 17-+. Ich erkläre mich nicht, aber man wird sehen, daß in weniger als zwei Monaten . . . . sich die ganze Scene in Europa ändert: Sie selber werden dann sagen: ich sei mit meinen Hülfsquellen noch nicht am Ende, und habe Ursache gehabt, Ihrem Herzoge meinen Klevischen Thiergarten zu verweigern etc.

Ihren Herzog, Herr Graf, loben Sie, denke ich, sehr schlecht, da Sie mich versichern, er mache Verse, wie ich. Ich habe Geschmack genug, um zu fühlen, daß die meinigen nicht viel taugen. etc. Wenn ich einige Augenblicke Ruhe habe, so befällt mich der Schreibkitzel, und ich versage mir dies flüchtige Vergnügen nicht. Es giebt mir Zeitvertreib und Zerstreuung, und überdies eine bessere Stimmung zu der Arbeit, mit der ich belastet bin. etc."

12. Mai 1760

An Ebendenselben :

"Ich weiß recht gut, daß ich Fehler habe, und noch dazu recht große Sie können mir glauben, daß ich mich nicht gelinde behandle, und mir Nichts verzeihe, wenn ich mit mir selber spreche. Aber ich gestehe, daß dies Geschäft weniger fruchtlos sein würde, wenn ich mich in einer Lage befände, wo meine Seele nicht so heftige Erschütterungen und so gewaltsame Stürme zu leiden hätte, als denen sie seit einiger Zeit ausgesetzt ist, und denen sie wahrscheinlich noch ferner zum Spiele dienen wird - etc.

Auf eine Untersuchung des Vergangenen lasse ich mich nicht ein. Sie haben ohne Zweifel höchst unrecht gegen mich gehandelt. Kein Philosoph hätte Ihr Betragen erduldet. Ich<18> verzeihe Ihnen und will sogar Alles vergessen. Aber hätten Sie nicht mit einem Verehrer zu thun gehabt, der von Ihrem herrlichen Genie ganz bethört — bei einem Andern wäre» Sie so gut nicht weggekommen. Das lassen Sie Sich denn gesagt sein und reden Sie mir nicht mehr von Ihrer Nichte, die mir so langweilig ist, und nicht soviel Verdienst hat, wie ihr Oheim, daß sie ihre Fehler damit bedecken könnte. Man spricht von Moliere's Magd, aber Niemand wird von Voltaire's Nichte sprechen. - etc. - Ihre Nation ist die inkonsequenteste in ganz Europa; sie hat viel Witz, aber ihre Ideen sind gar nicht zusammenhängend. So zeigt sie sich in ihrer ganzen Geschichte. Dieser Charakter muß ihr unauslöschlich eingedrückt sein. In der langen Reihe der Regierungen giebt es keine Ausnahmen, als einige Jahre unter der Regierung Ludwig's XIV. Heinrich's IV Regierung war nicht ruhig und nicht lang genug, daß sie mit in Anschlag kommen könnte. Während Richelieu's Administration bemerkt man Verbindung in den Planen und Kraft in der Ausführung, aber das sind in der That sehr kurze Perioden von Klugheit für eine so länge Reihe von Thorheiten.

Frankreich konnte wohl Leute wie Deskartes und Mallebranche hervorbringen, aber keinen Leibnitz, Locke und Newton. Dagegen übertrefft Ihr alle anderen Nationen an Geschmack, und ich halte mich gern zu Euren Fahnen, sobald es auf feine Unterscheidungskraft und auf scharfsinnige, kritische Wahl zwiscen wirklichen und zwischen nur scheinbarren Schönheiten ankommt. Das ist ein großer Vorsprung für die schönen Wissenschaften, aber es reicht noch nicht hin. etc."

14. Mai 1760

An den Marquis d'Argens :

- etc. "Sie sehen, daß alle Hoffnungen zum Frieden verschwunden sind, und daß meine Feinde die größten Zurüstungen machen. In drei Wochen werde ich 220000 Mann auf den Hals bekommen. Ich habe nur ungefähr die Hälfte;<19> es läßt sich also begreifen, daß ich nothwendig da unterliegen muß, wo ich am schwächsten sein werde, und wo ich der Uebermacht, die mich unterdrückt, nichts entgegensetzen kann. Also bleibt mir nur Ein Mittel, das nicht einmal zuverlässig ist, wenn auch dieses verschwindet, so muß ich dem entgegen sehen, was mir die Umstände ankündigen, und was die gewohnliche Art zu schließen mir wahrscheinlich macht. Der Kopf wird mir regelmäßig alle Tage drei bis vier Mal drehend, wenn ich mich quäle, Hülfsmittel zu finden, und nicht zu meinem Zweck kommen kann. etc. - Ich schicke Ihnen einen kleinen Brief im Namen der Pompadour, den ich im vorigen Jahre schrieb. etc.

Das Verzeichniß der Gemälde habe ich gesehen und mir einen Augenblick die Zeit damit vertrieben, Um die Sammlung vollkommen zu machen, gehörten noch ein schöner Correggio, ein schöner Julio Romano und ein Jordano hinein. Doch wohin verirren sich meine Gedanken! Ich weiß nicht, welches Unglück vielleicht in Kurzem auf mich wartet, und rede von Gemälden und Bildergalerien. In der That, die jetzigen Zeiten möchten einem die artigsten Kinderklappern verleiden, und es sieht Alles so sehr auf der Wage, daß man fast gar nicht mehr daran denken kann, wenn anders nicht ein glücklicher Vorfall einen sanften Lichtstrahl verbreitet, der die Finsterniß, in der wir wandeln, erhellt. etc."

In diesem Monat schrieb der König folgende Gedichte : Die Liebe durch Briefwechsel etc.

An d'Argens, als dieser ein Exemplar von den Gedichten des Philosophen von Sanssouci überschickte.

An den Prinzessin Amalie, als die Friedensunterhandlungen sich zerschlugen.

An d'Argens, bei Uebersendung der Briefe des etc. Phihihu.

An Ebendenselben: "Aus unserm Porzellan-Quartier" etc. Sie stehen sämtl. im 7. Theil der h. W. S. 24 — 35 u. 111.

<20>

B.

Mai 1760

Ende Mai rückt Laudon mit zwei Kolonnen über Patschkau und Silberberg durch die Grafschaft Glatz in Schlesien ein.

Zu gleicher Zeit kommt der Russische General-Major von Tottleben mit 8000 Mann aus Polen über Neustettin in Hinterpommern an.

29. Mai 1760

Tottleben nimmt Cöslin, nachdem er die beiden Vorstädte anzünden lassen und der Stadt ein gleiches Schicksal gedroht.

Die Preußische Besatzung erhielt freien Abzug.


17-+ Der König meint die bereits eingeleitete Verbindung mit den Türken.