Januar 1760

A.

Januar 1760

Der König in Pretschendorf.

5. Januar 1760

Der König an d'Argens:

- etc. "Ein Mann voll Muth, deß Männergeist sich kühn
Und hohen Fluges von der Erde Staub
Zum Pallast der Urania erhebt,
Wirft von der Weisheit hohem Sitz auf Tod,
Auf Leben einen gleichen Blick herab.
Sein Geist, den nie ein Schlag des Schicksals trifft,
Sieht auf das Nichts der Welt, die Eitelkeit,
Den Stolz, den Irrthum, der sie füllt; er sieht,
Daß Alles anfängt, Alles enden muß.
Und so erhält der Weise, wenn der Sturm
Schon braust, den tiefen Frieden seiner Brust.
Die düstre Zukunft schreckt ihn niemals auf;
Er harrt auf sie, und greift ihr niemals vor.
Bewaffnet bietet er dem Unglück Hohn,
Was es dann auch voll Grausamkeit beschloß;
Er will sich nie dem allgemeinen Loos
Der Sterblichen entziehn; er ist ein Mensch,
So treff ihn denn der Menschheit Schicksal auch."

7. Januar 1760

An die Prinzessin Amalie (Epistel über das Ungefähr) :

"Nein, nein, Du glaubst nicht, daß des Menschen Noth
Der Gott erblickt, der uns das Leben gab :
Und das, mit vollem Recht; denn stören kann
Die ew'ge Ruhe seines Glückes nichts.
<4>Für unsern Wunsch ist diese Gottheit taub :
Sie kennet unsre Bitten nicht, und nicht
Den Weihrauch, der auf ihrem Altar glüht,
Sie strafet, sie belohnt uns nicht, und wirft
Nicht einen Blick auf uns, den niedern Staub;
Beherrscht im Ganzen nur den weiten Bau
Der Welt, das zahlenlose Sonnenheer,
Das in des Aethers Wogen schwebt, und macht
Dem Urgesetz das Weltall unterthan. etc.
Die Welt wird, Schwester, denn vom Ungefähr
Beherrscht; dies bauet auf, und dies zerstört;
Es läßt uns fühlen, daß es Launen hat,
Und maßt sich unsrer Klugheit Rechte an. etc.
Auf edler Bahn, wo Flug der Held beginnt,
Da kämpfet mit dem Ungefähr sein Geist
Um Uebermacht; doch er erschöpft sich selbst
Umsonst in Müh' und Streben; denn er hängt,
Ob ungern auch, vom schwächsten Triebrad ab.
Mich trifft der Frevlerbund, der sie 4-+ verknüpft.
Für ihre Thorheit, die beständig schwankt,
Werd' ich gestraft; ich bin verfolgt, besiegt;
Des Schicksals Spruch gebietet mir : so stirb
Als Fürst, wenn Du als Sklav' nicht leben willst!
Was hilft, sagst Du, "die Klugheit denn, wenn doch
Ihr Schutz umsonst, ihr Streben kraftlos ist?
So war' es einerlei, wir würfen schnell
Ihr Joch von, Nacken ab, und gingen dann
Verwegen in des Lebens Labyrinth?"
<5>Die Klugheit ist wohl keine Panacee,
Die jedes Uebel scheucht, das uns bedrückt;
Dem Menschen Glück ertheilen kann sie nicht;
Doch ihre Kunst macht milder unsre Noth,
Und mäßiger den Wunsch in unsrer Brust;
Erweicht das strenge Schicksal, wenn es zürnt,
Sie ist ein Faden, der uns führt, wenn gleich
Kein Schwert, das jeden Knoten schnell zerhaut.
An manche Klippen schlug' uns wohl der Sturm,
Allein vor Nebeln, die das Auge sieht,
Bewahret uns ihr Schutz. Ihr Blick, der stets
Behutsam wacht; wenn uns Gefahr umringt,
Durch überdachte Schritt' uns Rettung giebt —
Führt zwischen Furcht und zwischen Tollkühnheit
Auf schmalem, kaum bekanntem Pfad uns hin.
Sie müdet oft Fortunen durch Geduld;
Sie harret stets der Zeit, greift ihr nicht vor,
Und ordnet nie voll Stolz die Zukunft an.
Verberg' in seinem dunkeln Pallast denn
Das Schicksal seinen Spruch mit dichter Nacht.
Das Unglück beug' uns nicht — wir hüllen uns,
O Schwester, dann in unsre Tugend ein."

?? Januar 1760

An den Marquis d'Argens (der dem Könige kurz vorher gemeldet hatte, daß in Berlin ein Prophet aufgestanden, welcher verkündigt : daß der König in Kurzem über alle seine Feinde siegen und bis zu Ende des Krieges stets Glück haben werde) 1).

"Mein lieber Marquis. - etc. - Das Unglück macht zaghaft, und die Furcht abergläubisch. Es befremdet mich gar nicht, daß Leute, welche die Zukunft mit Unverschämtheit und Zuversicht verkündigen, leichtgläubige Menschen finden, die ihren Weissagungen Glauben beimessen. Ein Narr findet immer einen größern Narren, der ihn bewundert. Ich wünsch<6>te, wir könnten uns mehr über diese Possen sattlachen, aber mir ist die Lust zum Lachen vergangen. Mich haben zu viel Unglücksfälle betroffen, und ich bin von zu vieler Verlegenheit umringt, außerdem bleiben mir zu wenig Hoffnungen übrig, als daß ich mich aufheitern könnte. - etc. - Ich habe einen Fluß an der Backe gehabt, der mir große Schmerzen verursacht hat. Alle Geißeln des Himmels treffen mich, und dennoch lebe ich, und sehe das Licht, ob ich gleich hundert Mal wünsche, daß es für mich erloschen wäre. Doch - jeder Mensch muß sein Schicksal tragen.

Möchte das Ihrige glücklich sein, und Sie nie einen Freund vergessen, der in einem wahren Fegefeuer ist, der Sie aber liebt und ewig lieben wird. Leben Sie wohl."

12. Januar 1760

Der König in Freiberg.

15. Januar 1760

An d'Argens :

- etc. "Der Friede ist nichts weniger als gewiß etc. Ich kann nur standhaft gegen die Widerwärtigkeiten kämpfen, aber weder das Glück zurückbringen, noch die Menge meiner Feinde vermindern. Bei solchen Umständen bleibt meine Lage einerlei; trifft mich noch ein Unglück, so ist es der Gnadenstoß. In der That, das Leben wird ganz unerträglich, wenn man es in Kummer und tödtlichen Sorgen verleben muß; es Hort auf, eine Wohlthat des Himmels zu sein, wird ein Gegenstand des Abscheus, und gleicht der grausamen Rache, welche Tyrannen an Unglücklichen ausüben. Sie könnten mich eher tobten, mein lieber Marquis, als mich dahin bringen, anders zu denken. Sie sehen die Gegenstände aus einem Gesichtspunkt, der sie verkleinert und minder widrig macht; wären Sie aber nur eine Stunde hier, was würden Sie da finden! Leben Sie wohl. Quälen Sie Sich nicht mit unnützen Sorgen, und erhalten Sie, ohne die Zukunft vorher sehen zu wollen, Ihre Ruhe, so lange Sie können. Sie sind nicht König, haben keinen Staat zu vertheidigen, dürfen keine Unterhandlung führen, auf keine Hülfsmittel bedacht sein, und<7> sind für keine Vorfälle verantwortlich. Ich erliege unter dieser Bürde, und muß allein darunter leiden. Lassen Sie sie mir, lieber Marquis, ohne sie mit mir zu theilen. Ich umarme Sie mit der Versicherung, daß ich Sie hochachte. Vale."

?? Januar 1760

An Ebendenselben. Der König trägt ihm auf, seinem Bruder, dem Prinzen Ferdinand, und dem General von Seidlitz, der sich in Berlin von seinen Wunden heilen läßt, jedem ein Exemplar von den Betrachtungen über Karl XII. zu geben. Dann schreibt er weiter: "Meine Lage verändert sich um nichts, und wegen der Zukunft bin ich eben so unruhig als bisher. Melden Sie mir zum Zeitvertreib die Lügen Ihres Propheten, und die Possen, die Ihnen zu Ohren kommen. Der Himmel gebe, daß die Unterhandlungen, von denen man spricht, uns bald gegründetere Hoffnung geben mögen, als bisher, und daß wir unsere Leiden und Mühseligkeiten durch einen dauerhaften und vortheilhaften Frieden geendigt sehen. Leben Sie wohl, lieber Marquis; ich thue tausend Wünsche für Ihre Zufriedenheit."

In diesem Monat schrieb der König die Ode an den Erbprinzen von Braunschweig (hinterl. Werke Vl. 203), und ein Gedicht: "Als ich Voltaire's Salomo gelesen hatte" (hinterl. Werke VII. 106).

B.

Januar 1760

Die Lage des Königs war um diese Zeit allerdings von der Art, daß sie ihn in große Unruhe versetzen mußte. Es wurde zwar alles Mögliche angewandt, die Armee wieder zu ergänzen, doch konnte sie nur bis auf höchstens 90000 Mann gebracht werden. Es waren aber nicht mehr die alten Soldaten — sondern zum größten Theil nur, wie Friedrich selbst sagt, "Truppen zur Schau," und wenig zu brauchen, denn die Neugeworbenen bestanden "halb aus Sächsischen Bauern, halb aus feindlichen Ueberläufern etc." Zudem so fehlte es vorzüglich an Officicren; statt der 52, welche jedes<8> Regiment haben sollte, waren deren kaum noch 12 übrig. Eine, nach Zahl und Beschaffenheit so geringe Armee, konnte, einer feindlichen, 200000 Mann starken Macht gegenüber, anstatt Hoffnung, nur Besorgnisse erregen.

7. Januar 1760

Das Dillenburger Schloß geht an die Alliirten über, wobei die Franzosen großen Verlust erleiden.


4-+ Die Feinde des Königs.