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Sie erzählen mir von Ihrer lieben Finette, die nun auch dahin gegangen ist. Ach, mein Liebmütterchen, seit zehn Jahren beklage ich nicht mehr die Todten, aber wohl die Lebenden. Das Leben, welches wir führen, ist ein Hundeleben, und nicht eines einzigen Seufzers werth. Ich wünsche Ihnen viel Geduld, mein Gutmütterchen, und alle Wohlfahrt, welche so widerwärtige Zeitläufe nur immer zulassen mögen. Besonders wünsche ich, daß Sie Ihre gute Laune erhalten, den größten und reellsten Schatz, womit das Glück uns beschenken kann. Was mich betrifft, so wird meine alte Liebe und die Hochachtung, welche ich Ihnen gewidmet habe, sich niemals verläugnen. Ich weiß gewiß, daß Sie davon überzeugt sind. Leben Sie wohl, mein liebes Mütterchen."

22. Oktober 1762

Der König an d'Argens:

"In meines Lebens Blüthezeit gab mir
Ovid Beschäftigung; ich folgte wohl
Rinalden in Armidens Palast auch, .
Als dann zuerst mein Kinn beschattet ward,
Hatt' ich Geschmack an Sophokles, Horaz
Und Cicero. Noch reifer, forscht' ich nach
In Cäsar's Heldenpfad, in Leibnitz und
Gassendi, doch zumal in Epikur.
Jetzt, Freund, da schon der Zeit Verderberhand
Die Kraft mir raubt, das Haar mir bleicht und sagt :
Du wirst nun bald bei Deinen Ahnen sein,
Jetzt wählt' ich lasterhafte Priester mir +
Zu meinem Spiel, ich habe Zeitvertreib
Bei jenen Buben in dem Bischofshut,
Die Ehrsucht bis zum Wahnsinn füllt, und bei
Der Tonsurirten Schwelgerei und Stolz.
Die spornt mich auf, da mich das Alter beugt. etc.


+ Der König las um diese Zeit Fleury's Kirchengeschichte.