<176>

10. November 1749

An d'Arget:+

"Überlassen Sie sich nicht dem Schmerz! Sie sind weise, so müssen Sie erwägen, daß der Mensch nicht unsterblich und sein Leben kurz ist, und daß es bei der wenigen Zeit, die wir hier zubringen können, nicht der Mühe lohnt uns zu betrüben. Die Ereignisse liegen außer uns, und man handelt strafbar, wenn man als Philosoph über die Gesetze der Natur und als Christ über den Willen der Vorsicht murrt. Bedenken Sie, daß der Himmel Ihnen nur einen Theil von dem entreißt, was er Ihnen gegeben hat und daß Sie ihn beleidigen, wenn Sie alle die Gaben verachten, die er Ihnen noch läßt! Sie haben einen Sohn; es ist Ihre Pflicht ihn zu erziehen und für seine beste Ausbildung zu sorgen. All' Ihr Schmerz ist fruchtlos. Die gestorben sind, wissen davon nichts und die Lebenden fordern von Ihnen, daß sie ihm gehörige Schranken setzen, nachdem seine ersten Ausbrüche vorüber sind. Denken Sie lieber an Zerstreuung, als daß Sie sich so der Betrübniß überlassen! Wenn Sie das Erforderliche in Ordnung gebracht haben, so kommen Sie hieher! Ich verlange von Ihnen nichts weiter, als daß Sie sich aller ernsten


+ D'Arget war Secretair des französischen Gesandten Valori, als dieser den König in den zweiten schlesischen Krieg nach Böhmen begleitete. Im August 1745 wohnte Valori in der Vorstadt von Jaromirtz. Der östreichische Partheigänger, Oberst Franchini, der dies erfuhr, beschloß ihn aufzuheben und überfiel den Ort. Als die Panduren sich der Wohnung des Gesandten näherten, ging ihnen d'Arget entgegen und gab sich für den Gesandten ans, welcher indeß Zeit gewann sich zu flüchten, während d'Arget als Gefangener fortgeführt wurde. Den König belustigte dieses Abentheuer sehr und gab ihm die Veranlassung, das Palladium, ein burleskes Gedicht zu schreiben.
      Als d'Arget ausgewechselt war, erbat sich ihn der König von Valori und machte ihn zu seinem Vorleser. Er liebte ihn sehr und sah es ungern, als er seiner Gesundheit wegen (1752) nach Frankreich zurückkehrte. Der König schrieb oft und im Tone der herzlichsten Theilnahme an ihn. Zu vorstehendem Trostbrief war der Tod von d'Argets Frau die Veranlassung.