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II. FRIEDRICHS REDE AN SEINE GENERALE UND STABS-OFFICIERE VOR DER SCHLACHT BEI LEUTHEN. (DEN 3. DECEMBER 1757.)[Titelblatt]

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FRIEDRICHS REDE AN SEINE GENERALE UND STABS-OFFICIERE VOR DER SCHLACHT BEI LEUTHEN.

(Gehalten in Parchwitz, den 3. December 1757, und vollständig abgedruckt aus Retzow's Charakteristik.)

Der König berief seine Generale und Stabs-Officiere zu sich, und mit der ihm eigenthümlichen Beredsamkeit und mit seelenvollem Ausdruck hielt er ihnen jene sehr merkwürdige Rede, deren Hauptinhalt mir unvergesslich geblieben ist. Noch nach einer langen Periode von Jahren, da ich dies schreibe, belebt sie meine Empfindungen für den grössten König und Menschen, wenn ich jene mir so wichtige Epoche meines Lebens in meiner Einsamkeit überdenke. -

Ihnen, meine Herrn, - so redete der König die Versammlung an - ist es bekannt, dass es dem Prinzen Carl von Lothringen gelungen ist, Schweidnitz zu erobern, den Herzog von Bevern zu schlagen und sich Meister von Breslau zu machen, während ich gezwungen war, den Fortschritten der Franzosen und Reichsvölker Einhalt zu thun. Ein Theil von Schlesien, meine Hauptstadt, und alle meine darin befindlich gewesenen Kriegsbedürfnisse sind dadurch verloren gegangen, und meine Widerwärtigkeiten würden aufs höchste ge<286>stiegen sein, setzte ich nicht ein unbegränztes Vertrauen in Ihren Muth, Ihre Standhaftigkeit und Ihre Vaterlandsliebe, die Sie bei so vielen Gelegenheiten mir bewiesen haben. Ich erkenne diese dem Vaterlande und mir geleisteten Dienste mit der innigsten Rührung meines Herzens. Es ist fast keiner unter Ihnen, der sich nicht durch eine grosse, ehrenvolle Handlung ausgezeichnet hätte, und ich schmeichle mir daher, Sie werden bei vorfallender Gelegenheit nichts an dem mangeln lassen, was der Staat von Ihrer Tapferkeit zu fordern berechtigt ist. Dieser Zeitpunct rückt heran; ich würde glauben, nichts gethan zu haben, liesse ich die Oesterreicher in dem Besitze von Schlesien. Lassen Sie es sich also gesagt sein, ich werde gegen alle Regeln der Kunst die beinahe dreimal stärkere Armee des Prinzen Carl angreifen, wo ich sie finde. Es ist hier nicht die Frage von der Anzahl der Feinde, noch von der Wichtigkeit ihres gewählten Postens; alles dieses, hoffe ich, wird die Herzhaftigkeit meiner Truppen und die richtige Befolgung meiner Dispositionen zu überwinden suchen. Ich muss diesen Schritt wagen, oder es ist alles verloren; wir müssen den Feind schlagen, oder uns alle vor seinen Batterien begraben lassen.3_286-a So denke ich, - so werde ich handeln. Machen Sie diesen meinen Entschluss allen Officieren der Armee bekannt; bereiten Sie den gemeinen Mann zu den Auftritten vor, die bald folgen werden, und kündigen Sie ihm an, dass ich mich berechtigt halte, unbedingten Gehorsam von ihm zu fordern. Wenn Sie übrigens bedenken, dass Sie Preussen sind, so werden Sie gewiss sich dieses Vorzuges nicht unwürdig machen; ist aber einer oder<287> der andere unter Ihnen, der sich fürchtet alle Gefahren mit mir zu theilen, der kann noch heute seinen Abschied erhalten, ohne von mir den geringsten Vorwurf zu leiden.3_287-a

Diese Rede des Königs durchströmte die Adern der anwesenden Helden, fachte ein neues Feuer in ihnen an, sich durch ausgezeichnete Tapferkeit hervor zu thun, und Blut und Leben für ihren grossen Monarchen aufzuopfern, der diesen Eindruck mit der innigsten Zufriedenheit bemerkte. Eine heilige Stille, die von Seiten seiner Zuhörer erfolgte, und eine gewisse Begeisterung, die er in ihren Gesichtszügen wahrnahm, bürgte ihm für die völlige Ergebenheit seiner Armee. Mit einem freundlichen Lächeln fuhr er darauf fort :

Schon im voraus hielt ich mich überzeugt, dass keiner von Ihnen mich verlassen würde; ich rechne also ganz auf Ihre treue Hülfe und auf den gewissen Sieg. Sollte ich bleiben, und Sie für Ihre mir geleisteten Dienste nicht belohnen können, so muss es das Vaterland thun. Gehen Sie nun ins Lager und wiederholen Ihren Regimentern, was Sie jetzt von mir gehört haben.

So lange hatte Friedrich II. in dem Tone der Ueberzeugung geredet, um den Enthusiasmus seiner Zuhörer anzufachen; jetzt aber, da er sich von der unwiderstehlichen Gewalt seiner Worte überzeugt hielt, sprach er wieder als König und kündigte die Strafen an, die er über diejenigen verhängen wollte, die ihre Schuldigkeit verabsäumen würden.

Das Regiment Cavallerie, sagte er, welches nicht gleich, wenn es befohlen wird, sich unaufhaltsam in den Feind stürzt, lasse ich gleich<288> nach der Schlacht absitzen und mache es zu einem Garnison-Regimente. Das Bataillon Infanterie, das, es treffe worauf es wolle, nur zu stocken anfängt, verliert die Fahnen und die Säbel, und ich lasse ihm die Borten von der Montirung abschneiden. Nun leben Sie wohl, meine Herrn; in kurzem haben wir den Feind geschlagen, oder wir sehen uns nie wieder.

So verstand der grosse König die seltene Kunst, zu einer und eben derselben Zeit Zutrauen zu erwecken und Gehorsam einzuprägen. Seine Beredsamkeit und ein gewisser gemessener Ausdruck, den er auf seine Reden zu legen wusste, waren so hinreissend, dass - ich will es kühn behaupten - auch der roheste, gefühlloseste Mensch, ja selbst derjenige, der mit ihm unzufrieden zu sein gegründete Ursache haben mochte, enthusiastisch für ihn werden musste, wenn er Friedrich so aus dem Herzen reden hörte.

Die Begeisterung, die er der Versammlung einzuflössen gewusst hatte, ergoss sich bald über alle übrige Officiere und Soldaten der Armee. Im preussischen Lager ertönte ein lauter Jubel. Die alten Krieger, die so manche Schlacht unter Friedrich II. gewonnen hatten, reichten sich wechselseitig die Hände, versprachen einander treulich beizustehen, und beschworen die jungen Leute, den Feind nicht zu scheuen, vielmehr, seines Widerstandes ungeachtet, ihm dreist unter die Augen zu treten. Man bemerkte seitdem bei jedem ein gewisses inneres Gefühl von Festigkeit und Zuversicht, gemeiniglich glückliche Vorboten eines nahen Sieges. Mit Ungeduld erwartete das Heer den Befehl zum Aufbruch, und diese kleine Schaar - wiewohl auserlesener Soldaten - ging willig und zufrieden ihrem Schicksal entgegen. Was konnte nicht der König mit solchen Truppen ausrichten, und was bewirkte nicht durch sie sein fruchtbares Genie! Er nutzte aber auch den Enthusiasmus seiner Armee, brach von Parchwitz auf, und richtete seinen Marsch auf Neumarkt.


3_286-a D'Alembert sagt in seinem Éloge de milord Maréchal, A Paris et à Berlin. 1779, S. 82, indem er der Aeusserungen des Königs vor und nach der Schlacht bei Leuthen gedenkt : « On lui représenta que l'armée ennemie était double de la sienne : Je le sais, repondit-il, mais il ne me reste plus d'autre ressource que de vaincre ou de périr; je les attaquerai; fussent-ils sur les clochers de Breslau. » Siehe auch J. D. E. Preuss, Friedrich der Grosse im siebenjährigen Kriege und in seinen späteren Regentensorgen, eine historische Portrait-Skizze, Berlin, 1855, S. 14.

3_287-a Dieser besondere Zusatz war der Rath, den General Wobersnow dem Könige gab, als dieser bekümmert schien, ob auch seine Officiere bereit sein würden, sich mit ihm in die bevorstehenden augenscheinlichen Gefahren willig zu stürzen. Friedrich milderte indess den Ausdruck, dem Wobersnow die stärkste Energie, d. h. Ein H.......t, der mir nicht folgt, zu geben vorschlug. (Anmerk. des Herrn von Retzow, a. a. O., S. 241.) Uebrigens kannte der König das Wort Hundsfott sehr gut; ja, es findet sich in seiner eigenhändigen Danksagung an die Armee für den Sieg bei Chotusitz, vom 19. Mai 1742. Siehe Erinnerungen an Friedrich den Grossen, in Bezug auf seine Armee, am 24. Januar 1854 in der Militärischen Gesellschaft vorgetragen von J. D. E. Preuss (Als Manuscript gedruckt), S. 10.