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FÜNFUNDZWANZIGSTES KAPITEL Beginn des Feldzuges von 1757. Prag und Kollin.

So war der Winter vergangen, und der ernstlichere Kampf um das weitere Dasein der preußischen Herrschaft mußte bald beginnen. Friedrich hatte sein Heer so weit verstärkt, daß er (nach ausgedehntester Berechnung) über ungefähr 200,000 Mann zu gebieten hatte; aber er konnte auch berechnen, daß ihm die Feinde, mit vereinten Kräften, an 500,000 Mann entgegenzusetzen imstande seien. Doch waren weder Frankreich, noch Rußland, noch Schweden, noch die Reichsarmee mit ihren Rüstungen fertig; nur Österreich stand ihm drohend gegenüber. So entschloß er sich aufs neue, seinen Gegnern zuvorzukommen, den einen gerüsteten Feind mit aller Macht anzugreifen und sich vorerst auf der einen Seite Luft zu machen, damit er alsdann um so freier den nachfolgenden Gegnern die Stirn bieten könne.

<259>Den Oberbefehl über die österreichische Armee führte noch der Feldmarschall Browne. Sein Plan war, Friedrich in Sachsen anzugreifen und auf diese Weise dieselben Vorteile zu erstreben, die Friedrich selbst seither bei seinen raschen Angriffen zu erreichen gewußt hatte. Er hatte demgemäß eine vorteilhafte Aufstellung seiner Truppenkorps angeordnet und Magazine in der Nähe der sächsischen Grenze eingerichtet. Friedrich tat, als ob er dem Gegner freies Spiel lassen wolle; er verschanzte Dresden und sprengte das Gerücht aus, daß er den Angriff der Österreicher abwarten werde. Plötzlich sandte das österreichische Kabinett an Brownes Stelle den Prinzen Karl von Lothringen, den Bruder des Kaisers, den nach der Stelle des Oberbefehlshabers gelüstete. Prinz Karl brachte ein anderes Operationssystem mit und machte mancherlei Veränderungen in den bisherigen Anordnungen, ohne jedoch den alten Plan durch einen neuen von gleicher Konsequenz zu ersetzen. Dies kam Friedrich höchst erwünscht; er fuhr in seinen Scheinmaßregeln fort und wiegte die Feinde in stolze Sicherheit. Ehe es sich diese versahen, drang nun, gegen Ende April, seine Armee von vier Seiten, gleich vier reißenden Bergströmen, in Böhmen ein, trieb die einzelnen Truppenkorps der Österreicher, die noch auf weitere Verstärkungen warteten, vor sich her und nahm ihnen die Magazine weg. Nur eins der österreichischen Korps wagte Widerstand; aber es wurde von dem Herzog von Bevern, der aus der Lausitz in Böhmen einrückte, bei Reichenberg geschlagen.

Bei Prag vereinigte sich der größere Teil der österreichischen Korps zu einer bedeutenden Macht. Dorthin gingen auch, nach Friedrichs Anordnung, die preußischen Truppen, um den entscheidenden Kampf zu beginnen. Am 6. Mai, in morgendlicher Frühe, traf die preußische Hauptmacht unter Friedrich, Schwerin und dem Herzog von Bevern, am rechten Elbufer unterhalb Prag zusammen, während ein viertes Korps, unter dem Prinzen Moritz von Dessau, den Befehl hatte, Prag auf dem linken Elbufer zu umgehen, dann über den Fluß zu setzen und dem Feinde in den Rücken zu fallen. Friedrich eröffnete Schwerin seine Absicht, die Österreicher unverzüglich anzugreifen und ihnen keine Zeit zur weiteren Besinnung zu lassen. In der Tat waren diese auch auf die Nähe der Preußen so wenig vorbereitet, daß sie davon erst durch einige Schüsse, die bei der Vereinigung der preußischen Armee gegen einen Kroatenhaufen fielen, benachrichtigt wurden; sie begannen jetzt erst, zum Teil mit Hinterlassung des Gepäckes und Feldgerätes, sich in Schlachtordnung zu stellen. Schwerin aber stellte dem Könige vor, daß die Truppen durch nächtlichen Marsch ermüdet seien, daß man dem Feinde nur auf Umwegen beikommen könne und daß man überhaupt von der Beschaffenheit des Bodens keine genaue Kenntnis habe. Als jedoch Friedrich auf seinem Willen bestand, so drückte der alte Feldmar<260>schall, wie er es zu tun gewohnt war, seinen Hut in die Augen und rief aus: « Soll und muß denn gerade heute eine Schlacht geliefert werden, so will ich die Österreicher gleich hier angreifen, wo ich sie sehe! » Das wäre freilich allzu schwer ins Werk zu richten gewesen; die Österreicher hatten sich sehr vorteilhaft auf einem Höhenzuge, der durch eine sumpfige Niederung geschützt war, aufgestellt. Doch ward der General Winterfeldt ausgesandt, die weitere Beschaffenheit des Bodens zu untersuchen; er brachte schnell den Bescheid, daß man den Feind sehr leicht umgehen könne, indem seitwärts eine Abflachung der Berge und grünende Saatflächen zwischen Teichen einen günstigeren Zugang darböten. So ward die preußische Armee seitwärts geführt, während jedoch die Österreicher gleichzeitig derselben Bewegung folgten.

Aber was Winterfeldt für Saatflächen angesehen hatte, waren grünüberwachsene Sümpfe, die jetzt dem Vorrücken der Preußen, namentlich dem linken Flügel, den Schwerin führte und der dazu bestimmt war, dem Feinde zuerst in die Seite zu fallen, sehr unerwartete Hindernisse entgegensetzten. Nur ein geringer Teil der Truppen fand schmale Dämme, auf denen einzelne Rotten hinübermarschieren konnten; die übrigen waren genötigt, durch die Sümpfe zu waten, in denen sie bei jedem Tritte einsanken; auch war es nicht möglich, die erforderliche Anzahl der Kanonen dem Feinde entgegenzuführen. So geschah der Übergang langsam und nicht ganz in Ordnung. Doch griffen die ersten Bataillone, die festen Fuß gefaßt hatten, den Feind rüstig an, aber ein mörderisches Kartätschenfeuer zwang sie zum Stehen; die Österreicher, von Browne geführt, der patriotisch die Stelle eines Unterbefehlshabers übernommen hatte, drängten vor, und bald wandte sich das Vordertreffen der Preußen auf dieser Seite zur Flucht. Da kam Schwerin auf dem Kampfplatze an; er riß einem Hauptmann die Fahne, welche dieser ergriffen hatte, aus der Hand und bemühte sich, die Soldaten zu sammeln und sie aufs Neue dem Feuer des Feindes entgegenzuführen; aber kaum war er ein paar Schritte vorwärts geritten, als er, von fünf Kartätschenkugeln durchbohrt, entseelt vom Pferde sank. Gleichzeitig war aber auch Browne schwer verwundet worden, so daß er sich aus der Schlacht forttragen lassen mußte.

Ein Kavallerieangriff, zur Seite des linken Flügels der Preußen, war, obschon ebenfalls nicht ohne hartnäckigen Widerstand, glücklicher vonstatten gegangen. Die feindliche Reiterei wurde hier gänzlich zerstreut. Der Prinz von Lothringen bemühte sich vergebens, seine Reiterscharen zum Stehen zu bringen; er ward mit fortgerissen, ein Brustkrampf befiel ihn, und so ward auch er bewußtlos aus dem Getümmel fortgetragen. Indes war der linke Flügel der Preußen verstärkt worden und drang nun, den Tod des verehrten Führers zu rächen, mit erneutem Ungestüm vor. <261>Bald waren die Österreicher zum Weichen gebracht. Von allen Seiten hatte jetzt die preußische Armee den Übergang möglich gemacht und sich auf die Feinde geworfen. In einer Menge von einzelnen Gefechten, wie es die Natur des Bodens mit sich brachte, ward jetzt mit größtem Heldenmute gekämpft; überall kamen die Österreicher, trotz der hartnäckigsten Gegenwehr, zum Weichen; der Mangel eines oberen Befehlshabers ließ ihre Anstrengungen zu keiner übereinstimmenden Wirkung kommen. Friedrich selbst aber brachte den Kampf zur Entscheidung. Er bemerkte, daß im Mittelpunkt der österreichischen Armee eine Lücke entstanden war; hier stürzte er sich, obgleich von beiden Seiten alsbald das heftigste Feuer erfolgte und viele neben ihm niedergeschmettert wurden, an der Spitze von drei Bataillonen hinein und sprengte die Feinde auseinander. Der Rückzug der Österreicher ward jetzt zur verwirrten Flucht und alles war nur darauf bedacht, hinter den Toren von Prag Schutz zu suchen; ein Teil der Österreicher, der die Stadt nicht hatte erreichen können, flüchtete ins Weite. Es würde eine gänzliche Niederlage der Feinde erfolgt sein, hätte <262>Prinz Moritz von Dessau, seinem Auftrage gemäß, den Übergang über die Elbe schnell genug bewerkstelligen und die Flüchtigen in die Seite nehmen können.

Der Sieg war errungen, aber mit vielem und schwerem Blute; die Preußen hatten 18,000 Mann verloren. Von Schwerin sagte Friedrich nachmals: « Sein Tod machte die Lorbeeren des Sieges verwelken! » Und außer ihm war noch eine bedeutende Anzahl ausgezeichneter Führer gefallen oder verwundet. Doch war der Verlust der Österreicher noch bedeutender. Auch sie verloren an Browne einen ihrer vorzüglichsten Feldherrn. Friedrich hatte letzterem, der an seinen Wunden wenige Wochen darauf starb, sein Beileid bezeigen und ihm den Tod Schwerins melden lassen.

Der größere Teil des österreichischen Heeres hatte sich nach Prag gerettet. Friedrich faßte den kühnen Gedanken, hier im großen Maßstabe zu wiederholen, was er im vorigen Jahre vor dem sächsischen Lager bei Pirna vollbracht hatte. Die weitläufige Stadt sollte belagert, die Armee zur Übergabe gezwungen werden. Schon am Abend nach der Schlacht ließ er sie dazu auffordern, doch erhielt er eine abschlägige Antwort. Nun schloß er die Stadt rings mit seinen Truppen ein, errichtete eine Reihe von Belagerungswerken und hoffte sie so in kurzer Frist durch Feuer und durch Hunger zur Übergabe zu nötigen. Die glühenden Kugeln, welche er in die Stadt hineinwerfen ließ, unterhielten eine fortwährende Feuersbrunst, der zusammengedrängten Menschenmasse begann es an Nahrungsmitteln zu fehlen, Krankheiten und Tod räumten furchtbar unter der Menge auf, der Mut der österreichischen <263>Armee schien ganz gesunken, und einige schwache Ausfälle, zu denen sie sich entschloß, wurden ohne Mühe zurückgeschlagen. Friedrich ließ es sich angelegen sein, geheime Kundschafter in die Stadt zu senden; die Nachrichten, die sie ihm brachten, verhießen ein baldiges Ende nach seinem Wunsche. Der Hof in Wien zitterte, denn an dem Schicksal Prags schien das ganze Schicksal des Krieges zu hängen; das Reich zitterte, denn bereits war ein kühnes Freikorps aus Böhmen bis nach Bayern vorgedrungen und verbreitete den Schrecken des preußischen Namens bis an die Tore von Regensburg; schon dachte man auf Mittel, durch neue Aufopferungen den Frieden von dem bis dahin unüberwindlichen Preußenkönige zu erkaufen.

Aber die in Prag eingeschlossene Armee, auf baldigen Entsatz hoffend, hielt mit Standhaftigkeit die Schrecken der Belagerung aus. Eins der österreichischen Korps, die in Böhmen schlagfertig gestanden hatten, war später als die übrigen gegen Prag vorgerückt und am Tage der Prager Schlacht noch mehrere Meilen vom Schlachtfelde entfernt gewesen. Der Feldmarschall Daun befehligte dies Korps. Er zog sich nun weiter, auf der Straße gegen Kolin, zurück, und zu ihm stießen die Scharen der Österreicher, die in der Schlacht zersprengt und von Prag waren abgeschnitten worden. Gegen ihn hatte Friedrich zuerst den General Zieten mit seinen Husaren ausgeschickt; und da dieser die Feinde stärker fand, als man erwartet hatte, so war mit Zieten ein besonderes Beobachtungskorps, unter dem Herzog von Bevern, vereinigt worden. Dies Korps rückte gegen Daun vor, und er, obgleich der Stärkere, wich zurück, ließ die Preußen Kolin mit einem reichlichen Magazine wegnehmen und ließ sie selbst Kuttenberg besetzen. Aber durch diesen Rückzug näherte er sich zugleich mehr und mehr den mittleren Provinzen des österreichischen Staates, zog, ohne sich zu schwächen, immer neue Unterstützungen, die ihm entgegengesandt wurden, an sich und vermehrte so nach und nach seine Armee zu einer bedeutenden Macht.

So waren mehr als fünf Wochen seit der Schlacht von Prag verflossen, ohne daß Friedrich imstande gewesen war, eine Entscheidung herbeizuführen. Wie im vorigen Jahre durch das Lager von Pirna, so ward er jetzt durch Prag in der raschen Ausführung seiner Entschlüsse aufgehalten. Aber die Verzögerung mußte jetzt, da es sich um größere Heermassen handelte, auch größere Gefahr bereiten; und, schlimmer noch als dies, auch von den andern Seiten rückte die drohende Gefahr bereits näher. Die Franzosen waren mit einer mächtigen Armee über den Niederrhein gegangen und standen schon in Westfalen; die Russen und Schweden, sowie die Reichsarmee machten sich ebenfalls zum Anzuge bereit. Ein drückender Unmut bemächtigte sich der Seele des großen Königs. Der Sieg von Prag hätte all diese Hemmnisse, wie es schien, <264>vereiteln können, wäre der Prinz von Dessau zur bestimmten Stunde auf dem Schlachtfelde erschienen; daß die Säumnis des letzteren jedoch unverschuldet war, wurde von Friedrich überhört. Der Herzog von Bevern hätte jetzt, so meinte Friedrich, mit raschem Angriffe das Korps des Feldmarschall Daun zerstreuen können; daß aber dies Korps dem preußischen bedeutend überlegen war, daß die Österreicher den Preußen standhalten würden, davon wollte der König nichts wissen. Er entschloß sich, selbst auszuführen, was Bevern nicht wage; er nahm alle Truppen zu sich, die er bei der Belagerung von Prag irgend entbehren konnte, und verließ am 13. Juni das Lager, um zu Bevern zu stoßen.

Inzwischen war Daun, als er sich stark genug fühlte, wieder vorgerückt; er hatte jetzt den ausdrücklichen Befehl erhalten, zur Entsetzung von Prag alles zu unternehmen. Auch dies wollte Friedrich, als er sich mit Bevern vereinigt hatte, nicht glauben. Alle Berichte, die ihm darüber gebracht wurden, nahm er mit Unwillen auf, so daß es endlich niemand mehr wagte, ihm zu widersprechen. Aber mit Kümmernis sahen seine Getreuen die Wolke, die den hellen Sinn des Königs umdüstert hielt. Zieten, der mit seinen Husaren genaue Kundschaft eingezogen hatte, sprach es öffentlich aus, daß er das Unglück des Königs und seiner Armee vor Augen sehe. Endlich, am Mittage des 17. Juni, erblickte Friedrich selbst, als er seine Vorposten besuchte, die ganze österreichische Armee, die ihm um ein sehr Bedeutendes überlegen war, in einem festen Lager zwischen Kolin und Planian. Er entschloß sich, sie am folgenden Tage anzugreifen, da es ihm um die Entscheidung zu tun war und da er fürchtete, daß, wenn er sich der Schlacht entziehe, er genötigt sein werde, alle jüngst errungenen Vorteile aufzugeben.

Der Morgen des 18. Juni brach an; aber die österreichische Armee war wiederum den Blicken der Preußen entschwunden. Man wußte nicht, ob Daun nur seine Stellung verändert, oder ob er sich unter dem Schutze der Nacht ganz zurückgezogen habe. Friedrich beschloß, nach Kolin zu marschieren, wo er jedenfalls feindliche Truppen erwarten durfte. Als er indes die Höhen bei Planian erreicht hatte, sah er auf den jenseitigen Bergzügen aufs neue die feindliche Armee vor sich, die ihn, zum Kampfe bereit, in der vorteilhaftesten Stellung erwartete. Friedrich rückte nun weiter auf der Straße gegen Kolin vor, um den Punkt ausfindig zu machen, auf welchem der Feind anzugreifen wäre. Um 10 Uhr erreichte man ein auf der Straße gelegenes Wirtshaus, dessen obere Fenster einen vollkommenen Überblick über die Stellung der Österreicher verstatteten. Hier entwarf Friedrich den Plan zur Schlacht. Der linke Flügel der Feinde war durch tiefe Abhänge geschützt, auch das Mitteltreffen schien dem Angriff bedeutende Schwierigkeiten entgegenzustellen; der <265>rechte Flügel aber schien durch kein Hindernis des Bodens verteidigt. Auf diese Stelle beschloß Friedrich alle Kräfte zu konzentrieren; der Feind sollte hier umgangen und dann mit voller Macht von der Seite angefallen werden. Bis Mittag ließ Friedrich seine Truppen, die durch die Hitze des Tages und den Marsch schon angegriffen waren, rasten; dann gab er das Zeichen zum Aufbruch. Aber der österreichische Feldherr bemerkte die Absicht Friedrichs und bemühte sich, seinen schwachen rechten Flügel zu verstärken.

Der Vortrab der Preußen begann den Kampf. Die Zietenschen Husaren, die Grenadiere, die den Vortrab ausmachten, fielen dem Feinde in die Seite und gewannen ihm, trotz der heftigsten Gegenwehr, bedeutende Vorteile ab. Aber plötzlich änderte Friedrich selbst seinen Plan. Er befahl, daß der übrige Teil seiner Armee Halt machen, sofort aufmarschieren und daß die Infanterie des linken Flügels gerade von vorn den feindlichen Reihen entgegenrücken solle. Prinz Moritz von Dessau, der das Haupttreffen kommandierte, suchte ihn auf die Gefahr, der man sich hiebei aussetzen würde, aufmerksam zu machen. Der König blieb bei seinem Befehl; aber der Prinz wiederholte seine Einwendungen und sagte endlich: ohne seine Pflicht zu verletzen und ohne die schwerste Verantwortung auf sich zu laden, könne er diesem Befehle nicht genügen. Dieser Widerspruch reizte den Zorn des Königs; mit entblößtem Degen <266>ritt er auf den Prinzen zu und fragte ihn mit drohender Stimme, ob er gehorchen wolle oder nicht? Der Prinz fügte sich, und seine Regimenter rückten gegen den Feind. War es neuer düsterer Ungestüm, war es Trotz gegen das Schicksal, daß Friedrich von dem so weise überlegten Plane abging?

Und dennoch schien er dem Heldenmute und der Tapferkeit seiner Krieger nicht zuviel zugemutet zu haben. Sie drangen, trotz des schmetternden Geschützfeuers, gegen die Reihen der Österreicher empor, sie vereinigten sich mit den Regimentern des Vortrabes und warfen mit diesen vereint eine furchtbare feindliche Batterie. Der rechte Flügel des Feindes wankte, der Sieg schien sich auf die Seite der Preußen zu neigen; schon ließ Daun auf einem mit Bleistift geschriebenen Zettel den Befehl zum Rückzuge durch seine Armee laufen. Doch einer von seinen Oberoffizieren bemerkte zur rechten Zeit, daß die Schlacht sich wiederum günstiger gestalte, und hielt den Zettel an. Denn jetzt hatte sich das Mitteltreffen der Preußen, durch einen allzu heftigen General geführt, verleiten lassen, gegen den ausdrücklichen Befehl des Königs an der Schlacht teilzunehmen. Es rückte gegen ein Dorf vor, das von Kroaten besetzt war, trieb diese hinaus und versuchte nun gegen die Österreicher emporzustürmen. Aber auf dem abhängigen Boden, der mit glattem, ausgedörrtem Grase bedeckt war, versagte jeder Tritt, und von dem Berge herab sprühte ihnen ein fürchterlicher Kartätschenregen entgegen. Reihenweis wurden hier die tapfern Preußen hingestreckt. Durch dies unzeitige Unternehmen war den Regimentern des linken Flügels und dem Vortrabe der Preußen die nächste nötige Unterstützung geraubt. Friedrich sandte ihnen Kürassiere und Dragoner zu, die errungenen Vorteile festzu<267>halten und weiter zu verfolgen. Zweimal drangen die Reiter vor, aber sie mußten dem Geschützfeuer, das sie von der Seite empfing, weichen; zum drittenmal setzte sich Friedrich selbst an ihre Spitze, aber auch jetzt vermochten sie nicht standzuhalten.

Nun hatten jene siegreichen Scharen, die seit zwei Stunden im Feuer standen, sich verschossen; von keiner Seite konnte ihnen Verstärkung zugeführt werden. Sächsische Reiterhaufen, die von Polen aus zu der österreichischen Armee gestoßen waren, drangen auf sie ein, andere Scharen österreichischer Kavallerie folgten, ein wildes Gemetzel erhub sich. Die Sachsen, der argen Niederlage gedenkend, die sie vor zwölf Jahren erlitten, riefen bei ihren Säbelhieben triumphierend aus: Das für Striegau! Verzweifelt wehrten sich die Preußen; was nicht erlag, wandte sich endlich zur Flucht. Noch einmal sucht Friedrich dem Schicksal des Tages Trotz zu bieten. Er sprengt den Flüchtigen nach, er bemüht sich, sie zu sammeln, 40 Mann folgen seinen Befehlen, seinen Bitten; er führt diese, in der Hoffnung, daß auch die übrigen sich anschließen werden, unter klingendem Spiel gegen eine feindliche Batterie. Umsonst! auch die wenigen Getreuen fliehen aufs neue, sobald sie von den feindlichen Kugeln erreicht werden. Friedrich bemerkt es nicht; nur einige Adjutanten sind noch bei ihm, als er der Batterie allein entgegen reitet. Einer von diesen fragt ihn endlich: « Sire, wollen Sie denn die Batterie allein erobern? » Da hält Friedrich sein Pferd an, sieht das leere Feld um sich, zieht ein Fernrohr hervor und beobachtet die feindliche Batterie, deren Kugeln zu seinen Seiten niederschlagen. Endlich wendet er das Pferd und reitet stumm und langsam nach dem rechten Flügel <268>seiner Armee, wo der Herzog von Bevern kommandierte. Hier gibt er das Zeichen zum Rückzuge.

Der rechte Flügel hatte gar nicht an dem Kampfe teilgenommen. Jetzt sollte er dazu dienen, den Rückzug der übrigen Heeresteile zu decken. Aber während dieser Rückzug vor sich ging, ward auch er noch in ein Gefecht mit dem linken Flügel der Österreicher, der ihm entgegenrückte, verwickelt. Der neue Kampf ward mit nicht geringerer Erbitterung geführt, als die früheren Gefechte des blutigen Tages. Die Preußen vermochten gegen das mörderische Kartätschenfeuer der Österreicher nicht standzuhalten, ganze Regimenter wurden aufgerieben. Endlich, es war 8 Uhr des Abends, mußte auch dieser Teil des preußischen Heeres den Rückzug antreten. Daun aber begnügte sich, das Schlachtfeld zu behaupten. Zufrieden mit dem ersten siegreichen Erfolge über die preußischen Waffen, ließ er Friedrichs Armee ungehindert und in guter Ordnung sich über Planian nach Nimburg zurückziehen, und in edlem Stolze sandte er dem Besiegten die Verwundeten, die man in Planian hatte zurücklassen müssen, nach.

Friedrich hatte sich gleich, als er die Schlacht verloren sah, unter geringer Bedeckung auf den Weg nach Nimburg gemacht. Der abendliche Ritt war sehr gefahrvoll, denn rings, in Dörfern und Gebüschen, lagen Trupps feindlicher Husaren und Kroaten zerstreut. Auch erhub sich während des Rittes plötzlich das Gerücht, es seien österreichische Husaren im Anzuge; man sah sich genötigt, eine halbe Stunde lang mit verhängtem Zügel fortzujagen. In einem Dorfe mußte man darauf kurze Rast machen, um die erschöpften Pferde zu tränken. Ein alter verwundeter Kavallerist trat zu dem Könige und reichte ihm in seinem Hute einen kühlen Trank, den er aus dem Pferdeeimer geschöpft hatte, mit den Worten: « Trink Ew. Majestät doch und laß Bataille Bataille sein! Es ist nur gut, daß Sie leben; unser Herrgott lebt gewiß, der kann uns schon wieder Sieg geben! » Solche Worte mochten wohl tröstlich in das Ohr des Königs klingen, aber es waren nicht viele in der Armee, die ebenso sprachen. — Als die Offiziere, die weiter zu Friedrichs Gefolge gehörten, nach Nimburg kamen, fanden sie ihn auf einer Brunnenröhre sitzend, den Blick starr auf den Boden geheftet und mit seinem Stocke Figuren in den Sand zeichnend. Niemand wagte ihn in seinen düsteren Gedanken zu stören. Endlich sprang er auf und gab mit Fassung und erzwungener Heiterkeit die nötigen Befehle. Bei dem Anblick des kleinen Restes seiner geliebten Garde traten ihm Tränen in die Augen. « Kinder », sagte er, « ihr habt heute einen schlimmen Tag gehabt. » Sie antworteten, sie seien leider nicht gut geführt worden. « Nun, habt nur Geduld », fuhr Friedrich fort, « ich werde alles wieder gut machen. »

<269>Es war die erste Schlacht, die Friedrich verloren hatte. Sein Verlust belief sich auf nahe an 14,000 Mann, der der Österreicher nur auf wenig über 8000. Der schlimmere Verlust war das gebrochene Selbstvertrauen. Über das ganze Heer, das sich bis dahin für unüberwindlich gehalten, verbreitete sich eine Mutlosigkeit, welche erst neuer glänzender Siege bedurfte, um wieder der alten Zuversicht Platz zu machen. Als den Offizieren des Belagerungsheeres bei Prag die Niederlage bekannt gemacht ward, folgte eine dumpfe Stille von mehreren Minuten; der sonst so sanftmütige Prinz Wilhelm von Preußen aber brach in lautes Wehklagen über das Benehmen seines königlichen Bruders aus.

Jetzt durfte Friedrich nicht länger an einen Angriffskrieg in Böhmen denken; die Belagerung von Prag mußte aufgehoben werden. Friedrich selbst war gleich von Nimburg dahin geeilt, die nötigen Anordnungen zum Abzuge zu treffen. Am zweiten Tage nach der verlornen Schlacht verließ das preußische Heer die Verschanzungen mit klingendem Spiele, ohne daß der Prinz von Lothringen, welcher die Österreicher <270>in der Stadt kommandierte und durch eine Marketenderin, die von Kolin aus nach Prag gekommen war, die Siegesnachricht erhalten hatte, ihnen ein besonderes Hindernis in den Weg gelegt hätte. Erst auf die letzten Abteilungen der preußischen Truppen, die zu lange gesäumt hatten, wagte er einen Ausfall und brachte ihnen allerdings einen, obschon nicht bedeutenden Verlust bei. Noch weniger unternahm Daun zur Verfolgung der Preußen; er ließ in seinem Lager, während die beiden preußischen Armeen sich vereinigten, ruhig den ambrosianischen Lobgesang anstimmen. Dann ging er mit seiner Armee nach Prag, sich mit dem Prinzen von Lothringen zu verbinden.

Friedrich hatte die Absicht, sich so lange als möglich in Böhmen zu halten, vornehmlich, um aus dem nördlichen Teile des Landes vorerst alle Lebensmittel an sich zu ziehen und dadurch die künftigen Unternehmungen des Feindes auf Sachsen zu erschweren. Er hatte deshalb seine Armee in zwei Hauptkorps geteilt, die zu beiden Seiten der Elbe in festen Stellungen standen. Das auf der östlichen Seite, welches sich später nach der Lausitz zurückziehen sollte, führte sein Bruder, der Prinz von Preußen. Die österreichische Armee war mehrere Wochen untätig gewesen; dann wandte sie sich mit ihrer Hauptmacht gegen das Korps des Prinzen von Preußen. Dieser, der die Gefahr drohend gegen sich heranschreiten sah, ließ Friedrich mehrfach von den Bewegungen des Feindes benachrichtigen; aber Friedrich wollte auch jetzt, wie vor der Koliner Schlacht, den Nachrichten über die Stärke und über die Entschlossenheit der Gegner keinen Glauben beimessen. Endlich sah Prinz Wilhelm sich zu eiligem Rückzuge gegen Zittau, wo ein bedeutendes Magazin vorhanden war, genötigt. Aber er wählte hiezu eine minder günstige, mit mannigfachen Hindernissen verknüpfte Straße durch das Gebirge, so daß dieser Rückzug aufs neue der preußischen Armee einen bedeutenden Verlust zufügte, während der Feind zugleich auf einer kürzeren Straße gegen Zittau vordrang. Hier trafen beide Heere gegeneinander. Eine Schlacht vermied Prinz Wilhelm; aber der Prinz von Lothringen richtete gegen die Stadt Zittau, deren Magazine durch eine geringe Schar von Preußen verteidigt wurden, ein barbarisches Bombardement, welches die blühende Handelsstadt in einen Trümmerhaufen verwandelte. Auf die Nachricht von dem Rückzuge seines Bruders war auch Friedrich mit seiner Armee nach Sachsen gegangen. Nachdem er hier die Grenzen versichert, führte er den Hauptteil seiner Truppen zu der Armee des Prinzen Wilhelm. In Bautzen traf er mit letzterem zusammen. Die Begegnung war nicht freundlich. Der Prinz und sämtliche Generale seiner Armee (mit Ausnahme Winterfeldts, den Friedrich dem Prinzen, gewissermaßen als Ratgeber, beigegeben) mußten die härtesten <271>Beschuldigungen über die Verluste jenes Rückzuges anhören. Friedrich ließ den Generalen ausdrücklich sagen, sie hätten sämtlich verdient, daß ihnen der Kopf vor die Füße gelegt werde. Prinz Wilhelm verließ auf solche Begegnung das Heer und ging nach Berlin zurück; hier kränkelte er bald und starb im folgenden Sommer.