<275> Mörder zu sein. Wenn also der Trieb zur Wollust mich fortreißt, hält mich der Selbst, erhaltungstrieb zurück.

Frage: Auf diese Gründe habe ich nichts zu erwidern. Wenn Du aber so streng gegen Dich selbst bist, wirst Du gewiß hart gegen andre sein.

Antwort: Ich bin nicht hart gegen mich, ich bin nur vernünftig. Ich versage mir nur das, was meiner Gesundheit, meinem Rufe, meiner Ehre schädlich ist. Weit entfernt, fühllos zu sein, habe ich tiefes Mitgefühl mit den Leiden meiner Mitmenschen. Aber damit begnüge ich mich nicht. Ich suche ihnen auch beizustehen und ihnen alle Dienste zu leisten, die ich vermag, sei es durch mein Vermögen, wenn sie in Not geraten, sei es durch Rat, wenn sie in Verlegenheit sind, sei es durch Aufdeckung ihrer Unschuld, wenn man sie verleumdet, sei es durch Empfehlung, wenn ich es vermag.

Frage: Wenn Du so viele Almosen gibst, wirst Du Dein Vermögen erschöpfen.

Antwort: Ich gebe meinen Mitteln gemäß. Solch ein Kapital verzinst sich hundertfach durch die lebhafte Freude, die man bei der Rettung eines Unglücklichen empfindet.

Frage: Aber durch Verteidigung der Unterdrückten läuft man mehr Gefahr.

Antwort: Soll ich die verfolgte Unschuld ohne Beistand lassen? Wenn ich die Falschheit einer Anklage kenne und sie beweisen kann, soll ich da die Wahrheit verschweigen, wo ich sie entdecken könnte, und aus Fühllosigkeit oder Schwache gegen alle Pflichten eines Ehrenmannes verstoßen?

Frage: Und doch, wenn man sieht, wie es in der Welt zugeht, ist es nicht immer gut, die Wahrheit zu sagen.

Antwort: Was die Wahrheit verhaßt macht, ist zumeist die schroffe Art, wie man sie sagt. Wird sie aber bescheiden und ohne Aufhebens verkündet, so nimmt man sie nur selten übel. Schließlich fühle ich selbst das Bedürfnis nach Beistand und Schutz; von wem aber könnte ich ähnliche Diensie verlangen, wenn ich sie selbst nicht leiste?

Frage: Wenn man den Menschen dient, erwirbt man sich meistens nur Undank. Was hast Du von Deiner Liebesmühe?

Antwort: Es ist schön, sich Undank zu erwerben, aber nichtswürdig, undankbar zu sein.

Frage: Dankbarkeit ist eine schwere Last, oft eine unerträgliche. Eine Wohltat läßt sich niemals vergelten. Findest Du es nicht hart, sein Lebelang daran zu tragen?