<261>schaft an Aufmunterung fehlt, und besonders an tüchtigen Lehrern, die darin unterrichten.

Ich komme nun auf die adlige Jugend zurück, die wir beim Abgang von der Schule und der Universität verlassen haben. Das ist der Augenblick, wo die Eltern die Entscheidung treffen, welchen Beruf ihre Söhne ergreifen sollen. Gewöhnlich bestimmt der Zufall die Wahl. Die meisten der jungen Herren fürchten den Soldatenstand, weil er in Preußen eine wahre Schule der Sitten ist. Man läßt den jungen Offizieren nichts durchgehen, hält sie zu einem verständigen, geregelten und anständigen Wandel an, sieht ihnen scharf auf die Finger und beaufsichtigt sie streng. Sind sie unverbesserlich, so nötigt man sie, welche Fürsprache sie auch besitzen, den Dienst zu quittieren, und sie haben fortan keine Achtung mehr zu erwarten. Das aber ist ihnen gerade zuwider; denn sie möchten sich gern im Schatten eines großen Namens ungezwungen den Launen ihrer Phantasie und der Zügellosigkeit ihrer Sitten überlassen. Daher kommt es, daß wenig Söhne aus ersten Häusern im Heere dienen. Das Kadettenkorps hilft aus: diese Pfianzschule ist einem Offizier von hohem Verdienst anvertraut1, der sein Lebensglück in die Bildung der adligen Jugend setzt, indem er ihre Erziehung leitet, ihre Seele erhebt, ihr tugendhafte Grundsätze einprägt und sich bemüht, sie für das Vaterland nutzbringend zu machen. Da die Anstalt für den armen Adel bestimmt ist, so schicken die ersten Familien ihre Kinder nicht hin. Läßt ein Vater seinen Sohn die Finanz, oder Iusiizlaufbahn einschlagen, so verliert er ihn sofort aus den Augen. Er ist sich selbst überlassen, und der Zufall entscheidet über sein Lebensschicksal. Der künftige Erbe muß nach dem Abgang von der Universität oft auf das väterliche Gut zurückkehren, wo ihm alles, was er hat lernen können, so gut wie nichts nützt. Das ist in großen Zügen der Bildungsgang der adligen Jugend. Daraus entstehen folgende Mißstände.

Die Weichlichkeit der ersten Erziehung macht die jungen Leute weibisch, bequem, faul und schlaff. Anstatt dem Geschlecht der alten Germanen zu gleichen, hält man sie eher für eine nach dem Norden verpflanzte Kolonie von Sybariten. Sie versinken in Nichtstun und Müßiggang, meinen nur zum Vergnügen und zur Bequemlichkeit auf der Welt zu sein und glauben, daß Leute wie sie von der Pflicht entbunden seien, der Gesellschaft nützlich zu sein. Daher ihre Streiche, ihre Torheiten, ihr Schuldenmachen, ihre Ausschweifung und Verschwendung, die so viele reiche Familien hierzulande zugrunde gerichtet haben.

Ich gebe zu, daß diese Fehler ebenso den jungen Jahren wie der Erziehung zur Last fallen, gebe auch zu, daß die Jugend mit geringen Abweichungen überall die gleiche bleibt, da in jenem Alter, wo die Leidenschaften am Heftigsten sind, die Vernunft nicht immer die Oberhand behält. Trotzdem bin ich überzeugt, man könnte durch weise, männlichere und wenn es sein muß, strengere Zucht viele Söhne guter


1 General von Buddenbrock (vgl. S. 256).