<128> Papst mische sich in unsre Angelegenheiten, schüre das Feuer und habe an den Mufti der Hohen Pforte geschrieben, er solle uns zu unsrem Kriegszug ermuntern.“

„Unmöglich!“ rief ich aus. „Wäre es wohl im geringsten wahrscheinlich, daß der Heilige Stuhl sich mit dem Oberhaupt der mohammedanischen Sekte einlassen sollte? Wie Sie wissen, haben die Päpste den Türken jederzeit die Ehre angetan, sie von Herzensgrund zu hassen. Ein so eingewurzelter Haß erlischt nicht so rasch. Und dann wissen Sie doch, wie empfindlich der römische Hof in dem sogenannten puntiglio1 ist, und wie peinlich er auf das Zeremoniell hält, das er im Verkehr mit andren Mächten beobachtet. Wie könnte also ein Papst sich über den alten Brauch hinwegsetzen und die unermeßliche Kluft überspringen, die zwischen der abgründigen, zur Schau getragenen Verachtung der Päpste gegen die Muselmanen und einem freundschaftlichen Verkehr zwischen zwei so wenig übereinstimmenden Personen gähnt?“

„Die Herrscher“, erwiderte jener, „wissen den Mantel nach jedem Winde zu drehen. Sobald ihr Vorteil im Spiel ist, beugen sie die Formeln nach ihrem Willen; und nach den mancherlei Vorfällen der siebzehn Jahrhunderte, von denen wir genaue geschichtliche Kenntnis haben, darf ein gescheiter Mann nichts für unmöglich halten. Zur Abkürzung des Streites will ich Ihnen jedoch gestehen, daß ich das fragliche Schreiben des Papstes in Händen habe und es Ihnen sogar zeigen kann.“

Ich bat ihn um diese Gefälligkeit. Nun las er es mir vor und gestattete mir sogar, eine Abschrift zu nehmen. Bei dieser Lektüre fiel ich auf den Rücken und brauchte geraume Zeit, um mich von meiner Bestürzung zu erholen.

Anbei sende ich Ihnen den seltsamen Brief2, der Ihre ganze Neugier zu erregen verdient. Jetzt zweifle ich an nichts mehr! Wenn nur der Heilige Vater sich nicht eines Tages beschneiden läßt und den Gläubigen ein gleiches befiehlt! Nach den sieben Sakramenten, die wir schon haben, wäre dies das achte. Freilich war Christus beschnitten, aber es wäre doch arg, wenn man es zu unsrer Zeit würde! Doch Scherz beiseite! Ich überlasse den Brief des Papstes Ihrem eignen einsichtsvollen Nach, denken und bitte Sie nur, mein Vertrauen aufIhre Diskretion nicht zu mißbrauchen.

In aufrichtigster Freundschaft verbleibe ich Ihr untertänigster und gehorsamster Diener N i c o l i n i.


1 Ehrenpunkt.

2 Vgl. S. 129 ff