<104> zum Triumph anrechnet. Daher die gerechte Bestrafung einiger obskurer Christen, die als Übertreter der Staatsgesetze und als Störer des bestehenden Kultus hingerichtet wurden. Natürlich mußten die Christen diese Schwärmer vergöttern. Die heidnischen Henker bevölkerten das Paradies. Nach der Hinrichtung sammelten Priester die Gebeine der Märtyrer und bestatteten sie ehrenvoll. Nun mußten bei ihren Gräbern Wunder geschehen. Das Volk in seinem dumpfen Aberglauben verehrte die Asche der Blutzeugen. Bald stellte man ihre Bilder in den Kirchen auf, und heilige Betrüger, die einander zu übertreffen suchten, führten allmählich die Anrufung der Heiligen ein. Sie wußten wohl, daß dieser Brauch gegen das Christentum und besonders gegen das mosaische Gesetz verstieß. Um also den Schein zu retten, unterschieden sie zwischen Anbetung und Verehrung1. Das dumme Volk aber, das keine Unterschiede macht, betete plump und ehrlich die Heiligen an. Indes kam dies Dogma und der neue Kultus nur allmählich in Aufnahme. Er wurde erst nach der Regierung Karls des Großen, um die Mitte des neunten Jahrhunderts, fest begründet.

Durch ähnliche Fortschritte kamen alle neuen Dogmen zur Macht. Im Urchristentum hatte Christus für einen Menschen gegolten, an dem das höchste Wesen Wohlgefallen fand. Als Gott wird er in den Evangelien nirgends bezeichnet, wenn anders man nicht Ausdrücke wie Gottes Sohn, Sohn Belials mißversteht, die nur sprichwörtliche Redensarten der Juden zur Bezeichnung der Güte oder Schlechtigkeit eines Menschen waren. Die Meinung, daß Christus Gott sei, kam erst in der Kirche auf und befestigte sich schließlich durch die Spitzfindigkeit einiger griechischer Philosophen von der peripatetischen Sekte, die zum Christentum übergetreten waren. Sie bereicherten es mit einem Teil jener dunklen Metaphysik, in die Plato einige Wahrheiten gehüllt hatte, deren Bekanntgabe ihm zu gefährlich erschien.

Im Kindesalter der Kirche, in den ersten Jahrhunderten, wo die Machthaber und Beherrscher des römischen Reiches Heiden waren, konnten die Förderer einer noch im Dunkeln lebenden Sekte keine Macht erlangen. Folglich mußte die Regierungsform der Kirche notwendig republikanisch sein. In den Lehren herrschte insgemein keinerlei Zwang, und die Christen blieben bei der größten Mannigfaltigkeit ihrer Ansichten doch immer vereint. Zwar verfocht mancher starrsinnige Priester seine Glaubenssätze hartnäckig und bäumte sich gegen jeden Widerspruch auf. Aber dieser Eifer beschränkte sich doch bloß auf das Disputieren. Die Geistlichen hatten keine Macht zur Verfolgung und daher keine Mittel, ihre Gegner zu ihrer Denkweise zu zwingen.

Zu Beginn des vierten Jahrhunderts, als Konstantin sich aus politischen Gründen zum Beschützer des Christentums aufwarf, änderte sich alles. Kaum saß er fest auf dem Throne, so schrieb er ein ökumenisches Konzil nach Nizäa aus (325). Von den Kirchenvätern, die zu diesem KonzU erschienen, stimmten dreihundert gegen Arius.


1 Vgl. Bd. VII, S. 235.