<192> seligen Gefilde hinabgestiegen ist1, erfuhr ich, daß die Franche-Comté, Elsaß und Lothringen nun zu Frankreich gehören, und daß das Haus Bourbon in Spanien und in Italien regiert. Wie er mir sagte, ist aus der Asche des Hauses Österreich ein neuer Zweig entsprossen, der tiefe Wurzeln geschlagen und durch die bewundernswerte Ordnung in seinen Finanzen und die Zucht seiner Truppen mehr Kraft gewonnen hat, als er durch die Lostrennung mehrerer Provinzen verlor. Ferner hat Kardinal Fleury mich über das ränkevolle Verhalten dieses neuen Hauses Österreich unterrichtet, das, ebenso ehrgeizig wie das alte, seine Schlingen unter Blumen zu verbergen weiß, das mit Sappen vorgeht, anstatt offen zu stürmen, das seine Feinde einlullt, anstatt sie zu bekämpfen, und das alle möglichen Formen anzunehmen weiß, um die wahre zu verbergen. Diesen Proteus, Majestät, haben Sie wie ein zweiter Herkules gezwungen, seine ursprüngliche Gestalt wieder anzunehmen, und durch Ihre Siege haben Sie dem Überfluten seines Ehrgeizes einen Damm entgegengesetzt.

Wir Bewohner des Elysiums, Majestät, deren leichter Geist alle irdischen Hüllen und alle Erdenschwere der Lebendigen abgestreift hat, wir kennen die Zukunft so gut wie die Gegenwart. Unsere Augen durchschauen jeden Kunstgriff. Mit einem Blick erkennen wir die Wirkungen aus den Ursachen. Daher fielen mir neulich, als ich Europa musterte, die gefährlichen Pläne auf, die das neue Haus Österreich schmiedet. Ich sah, Majestät, daß dies Haus Österreich, oder vielmehr das Haus Lothringen, sich in der Hoffnung wiegt, Ihre Macht zerschmettern zu können, um seinen Despotismus und seineTyrannei in Deutschland aufzurichten, daß es Frankreich seines treusten Verbündeten berauben wollte, um dann mit allen Kräften des Heiligen Römischen Reiches gegen den Allerchristlichsten König vorzugehen. Ich sah, daß Schweden nicht mehr das ist, was es früher war, daß sich auf den Trümmern des Thrones eine grausame, blutdürstige Aristokratie erhebt2, und daß folglich mein Vaterland ohne Sie keinen Verbündeten mehr im Norden hätte. Ich sah, daß eine neue Macht, die erst halb der Barbarei entwachsen, aber durch ihre Truppenzahl furchtgebietend ist, eine Macht, die vom Eismeer bis zum Maötischen See3 herrscht, mit Hilfe des Deutschen Kaisers die Nachkommen Solimatts und Mohammeds zu Boden zu schlagen vermocht hat4. Beugte also Frankreich hier nicht vor, so sähe es sich einem Feinde gegenüber, der mächtiger ist als Karl V., ehrgeiziger als Ferdinand II. und tatkräftiger als Karl VI., einer Macht, die unaufhörlich die Franche-Comté, Elsaß und Lothringen, ja vielleicht auch Flandern, zurückfordern würde und deren weltgreifende Pläne wohl gar auf Vertreibung der Bourbonen aus Italien abzielen. Wie viele Kriege müßten in dieser schicksalsvollen Zukunft entbrennen! Wieviel hochherzige Franzosen müßten, vor der Zeit hingerafft, zu uns herabsteigen in unsere friedlichen Wohnungen! Ihnen, Majestät, war es vorbehalten, so viel Übeln vorzubeugen, unseren Königsthron zu be-


1 Vgl. S. 174, Anm. l;

2 Vgl. Bd. III S. 24f. -

3 Das Azowsche Meer.

4 Vgl. Bb. l, S. 158 ff.