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78. Dichter und Feldherr
An Voltaire
(12. Februar 1775)

In ihrem Frühling lebt die Muse, die dich leitet,
Auf ihrer tausend Blüten frische Pracht
Hat noch der Winter nicht das weiße Tuch gebreitet,
Das aus den Schläfern blasse Toten macht.
Die meine aber floh, gebückt vom Druck der Jahre,
Statt ihrer geht der Kriegsgott neben mir
Und gibt mir statt der Lieder die Fanfare,
Und gibt mir statt der Leier das Panier.

In deine Adern gießt Apollos Strahlensonne
Jahraus, jahrein die gleiche goldne Glut,
Jahraus, jahrein füllt er mit Feuerwonne
Dein ewig junges, heißes Dichterblut.
Mir aber nahm das heiß-geniale Feuer,
Das einst Prometheus aus dem Himmel stahl,
Der harte Mars, und plötzlich: Ungeheuer
Verödet sieht die Welt und kalt und kahl!

Dich hebt dein Genius auf des Parnasses Höhen,
Und in der Dichter feierlichem Kreis
Wirst du in ew'ger Jugend selig stehen
Und teilen mit Homer das grüne Lorbeerreis.
Mich aber trieb zu blutigeren Reisern
Ein, ach, so töricht-blinder Iugendwahn,
Gern glich ich großen Königen und Kaisern,
Doch vor der Zeit seh' ich das Alter nahn.
Du schlägst den Irrtum tot mit deinem Witze,
Du weckst zum Leben auf durch dein Gedicht —
Viel tausend Menschen töten der Kanonen Blitze,
Doch Leben spenden, nein, das kann ich nicht!
Soldat im Frieden bin ich; mir entgleitet
Der Ruhm wie ein verschlißner Hermelin,
Und trüber Rost die Klinge überbreitet,
Die einst so hell durch ganz Europa schien!...