<91>So Hirt wie König übermannt,
Mit Privilegien verwöhnen,
Weil wir gefällig und galant.
So derb und schwer auch unser Wesen,
Man findet, traun, in keinem Land
Vom Franzmann bis zum Irokesen,
Ein Volk, so treu im Ehestand
Wie uns, das soviel Zärtlichkeit
(Nur Ziererei wird streng verbannt)
Den jungen Ehehälften weiht.
Doch wenn Geliebte oder Frauen
Sich fühlen von des Alters Klauen
Zu ihrem Ach und Weh gepackt,
Dann freilich schelten wir voll Grauen
Die Ärmsten wüst und abgeschmackt.
Ein rotumrändert Augenpaar,
Vergilbte Haut, verwelkter Hals,
Wackelnde Zähne, graues Haar,
Ein zitternd Knie, ein Rücken krumm
Sind Ware, die wohl keinesfalls
Liebhaber findet, das ist klar,
Im ganzen Schweizer Publikum.
Und hätten so viel Reize Sie,
Daß Venus müßte drob erbleichen
Und Menelaos' Schatz desgleichen,
Ja, unsre liebe Frau Marie: —
Beginnt die Jugend zu entweichen,
Entweicht auch unsre Sympathie.
Noch mehr, die hohe Polizei
Nebst löblicher Justiz, die zwei,
Sie heften sich an Ihre Sohlen,
Eröffnen Ihnen unverhohlen,
Daß es nur Gift und Galle sei,
Was Ihnen Reiz und Jugend stahl.
Ja, die profunde Geistergilde
Der Schweiz in Physik und Moral:
Was lehrt sie? Bosheit, Bosheit bilde
Der Frauen Hauptcharaktermal.
Wie könnten sie, die Jungen, Zarten,
Zu alten Hexen sonst entarten?