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8. Epistel über das wahre Glück
(5. Dezember 1736)

Hinter dem Glück rennt doch alles her!
Ach, und dabei, wie häufig nur sind es
Trügende Hoffnungen, die uns beseelen,
Ist es ein Tappen, ein Irren, ein blindes,
Daß wir das Wertvolle, Echte, verfehlen,
Nur ein Scheingut erwischen, nicht mehr.
Doch dem unbändigen Glücksbegehr
Ist nichts zu steil und nichts zu schwer.
Und so geben wir keine Ruh,
Setzen mit Wünschen den Göttern zu;
Nur wie das ausschaut, wonach wir streben —
Ja, wer vermöchte das anzugeben?...

Wer heißt den alten Kriegsmann dort
Sich schinden und placken fort und fort?
Wer heißt ihn, sich jedes stille Behagen,
Sich Ruhe und Rast so grausam versagen?
Er glaubt, er hätte es zu was gebracht,
Zu Lorbeer und Ehren, sein Glück sei gemacht;
An Jahren gebeugt, an Wunden reich,
Käme ihm keiner der Marsjünger gleich.
Dann, wie im Arsenal der Rost verzehrt
In Friedenszeiten Rüstung und Schwert,
So muß auch Belisar1 Hungers sterben —
Um sich Nachruhm zu erwerben.
Oder soll er, heimgekehrt vom Streit,


1 Vgl. Bd. IX, S. 6 und 16.