<195>O Blut, das auf Pharsalus“ Flur geflossen!1
Der letzten Römer hochgesinnte Manen —
Aus euren Gräbern tönt ein dumpfes Mahnen:
„Verlaß, o Cato, die verhaßten Stätten,
„Wo Frevelmut die Freiheit wagt zu ketten!
„Unsel'ger Spielball unsres Bürgerzwistes,
„Ins Grab der Freiheit eile dich zu betten!“

Ihr letzten Schirmer unsrer Rechte, wißt es:
Cato folgt euren Rufen in den Tod!
Doch gilt es erst, euch, Freunde, noch zu retten,
Vom Strande, wo Karthago einst gebot,2
Vom Joch, mit dem euch Tyrannei bedroht;
Dann stehen mir des Schicksals Wege offen!

Auch du, mein Sohn, den ich, mein einzig Hoffen,
Sterbend im Bannkreis des Tyrannen lasse —
Flieh die entweihten Stätten, die ich hasse,
Wo jenes Siegers giftiger Odem weht
Und sich des Zwingherrn ekler Dünkel bläht:
Such' Obdach dir in einem beßren Lande,
Wo frei du bleibst in dieser Zeit der Schande!
Gedenke an den Tugendglanz der Väter,
Doch soll dein frommer Sinn sich nicht empören:
Dem Zorn der Götter weih' die Missetäter,
Die unfern Staat und sein Gesetz zerstören.
Und weine nicht, entflieht des Vaters Leben:
Segne den Tag, der mich dem Gram entrückt!
Vom Erdenstaube will ich hochbeglückt
Empor zum Tempel unsrer Götter schweben.
In jener Freistatt schenkt Gerechtigkeit
Der Tugend Ruhm und höchste Seligkeit;
Pompejus treff' ich dort und Scipio an
Und jeden Römer, der sich Ruhm gewann.
Du, Cäsar, sollst mein Ende noch beneiden!
Mein Leben krön' ich durch ein hehres Scheiden;
Ein echter Römer, wähl“ ich lieber Tod
Als Leben unter deinem Machtgebot!


1 Bei Pharsalus (48 v. Chr.) war Pompejus von Cäsar besiegt worden.

2 Cato leitete die Verteidigung von Utica, das an der afrikanischen Küste lag.