<191>Des Haders blut'ge Folgen von euch wenden.
Das Elend, das der Welt Verderben brächte,
Trat mir vor Augen — lang befragt' ich mich
Und drang in meines Herzens tiefste Schächte,
Doch jenes Bild erschien mir fürchterlich!
Der einst'gen Größe Schimmer ist verblaßt,
Nur Trümmer seh' ich rings und Flucht und Hast.
Dem Tod entgegen blick' ich ohne Schauer,
Was raubt er mir? Ein Reich von kurzer Dauer,
Ein Gut, das als vergänglich mir bewußt,
Und das noch jeder Herrscher lassen mußt'.

Mag denn Vitellius eine kurze Weile
Sich sein erfreun und sich mit Lorbeer kränzen,
Ich werde seinen Namen überglänzen!
Steigt er zum Thron durch Frevel auf: ich teile
Wohltaten aus, indem ich ihm entsage.
Die Götter sind mir Zeugen: seit dem Tage,
Da ihre Gunst und euer treuer Mut
Die Macht mir gab, wünscht' ich mit heißer Glut
Nur eins: Rom und die Freunde zu beglücken.
Zuschanden wurde durch des Schicksals Tücken
Der segensreiche Plan. Doch ein Begehren
Vermag des Himmels Zorn mir nicht zu wehren:
Die Mitbürger und Freunde zu behüten!
Drum soll Vitellius gegen euch nicht wüten;
Er sieg' und herrsche; ich entsage frei!
Das Reich braucht einen Kaiser, doch nicht zwei.
Bekleid' er denn ein Amt, oft ohne Segen,
Und sei nach dem Gewaltsireich mild und gnädig;
Durch Wohltun werd' er seines Frevels ledig
Und führe Rom dem höchsten Glück entgegen.
Die grausen Schwerter, gegen euch gezückt,
Reiß' ich durch meinen Tod aus Feindesarm —

Doch welche Tränenflut, welch bittrer Harm?
Gilt mir dies edle Trauern? Tiefbeglückt
Fühl' ich's: ich herrschte über eure Herzen!
Nur düstre Mienen seh' ich, dumpfe Schmerzen:
So edler Freunde macht sich Otho wert;