<155>In aller Not, in meines Volkes Harm
Trifft auch zu Hause mich des Unglücks Arm.
O bittres Schicksal, kaum zwei Winter wichen,
Und wieviel Liebe ist im Tod verblichen!
Denn Mutter, Bruder, Schwester sah ich sterbend.1
O trübe Zeit, verödet ward mein Haus!
Den jungen Bruder traf es, meinen Erben,
Die hehre Mutter trug man tot hinaus,
Die Schwester, die so klug und tapfer war,
Mit der ich stets so inniglich verbunden:
Von solchen Schlägen könnte nur gesunden
Ein eisern Herz, das jeder Weichheit bar,
Das hart der Stimme der Natur verschlossen
Und nie der Freundschaft süßes Glück genossen.

Im Leidensabgrund und von übergroßen
Sorgen gequält, daß fast mein Auge bricht,
Kämpf' ich mit einem finsteren Gesicht,
Das ich schon tausendmal hinweggestoßen.
Man sagt: Gott Vater in des Himmels Wonnen
Sei gut, gerecht und mild, und doch — wir leiden.
Wie kann er sich an unserm Elend weiden,
Ist er uns wirtlich väterlich gesonnen?
Jung, töricht, schwach und rat, und ruhelos,
Ward ich von Anbeginn in Sorgen groß,
Und Lasier, Schmerz, Bedrängnis mich befiel.
Was ist des Weges Richtung, Sinn und Ziel?
In meiner Jahre engem Zirkeltanz
Wand mir der Schmerz so manchen Dornenkranz.
Und ist mein trüber Lauf ans Ziel geraten,
Naht Atropos, die ihre Schere hält:
Es finden Tugenden und finstre Taten
Das gleiche Ende in der bösen Welt.
Kein Opfer Gottes harten Sinn berückt,
Kein Weihrauchduft, taub bleibt er allem Flehen
Der Sterblichen, die sein Gesetz erdrückt:
Hier könnt enthüllt ihr sein Geheimnis sehen.


1 Am 28. Juni 1757 war die Königin-Mutter Sophie Dorothea gestorben (vgl. S. 115), am 12. Juni 1758 August Wilhelm Prinz von Preußen (vgl. Bd. III, S. 152) und am 14. Oktober 1758 Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth (vgl. S. III und Bd. III, S. 152).