Januar 1781.

A.

Januar 1781

Der König in Berlin.

?? Januar 1781

Der König an d'Alembert: "Der größte Vortheil, der sich von der Philosophie erwarten läßt, besteht, wie ich glaube, darin: uns das Leben erträglich zu machen; nichts aber macht unser Dasein angenehmer, als eine gewisse Seelenruhe, welche die trüben und beunruhigenden Vorstellungen und Sorgen aus dem Gemüthe verscheucht. Ich würde mir etwas darauf einbilden, wenn ich mich überreden könnte, daß ein Unwissender, wie ich, in<251> die Seele eines großen Philosophen, in die Seele unsers neuen Anaxagoras, hätte Heiterkeit zu bringen vermocht, ich finde es aber wahrscheinlicher, daß sich dieser große Philosoph aus eigener Kraft bestimmt hat, jenen anständigen Frohsinn wieder anzunehmen, der dem Nationalcharakter der Franzosen eigen ist. Ich meiner Seits grenze schon an den Zustand der Apathie, wohin das Alter die betagten Schwätzer führt; ich sehe, ohne mich zu beunruhigen, wegsterben und geboren werden, an wen die Reihe kommt, daß er in die Welt tritt, oder hinausgeht.

Indeß habe ich dennoch den Tod der Kaiserin Königin (Maria Theresia) bedauert; sie hat dem Thron und ihrem Geschlechte Ehre gemacht; ich habe mit ihr Krieg geführt, aber nie war ich ihr Feind. Was den Kaiser, den Sohn dieser großen Frau, betrifft, so kenne ich ihn persönlich; er schien mir viel zu aufgeklärt, als daß er übereilte Schritte unternehmen sollte; ich schätze ihn hoch und fürchte ihn nicht. etc.

Um Ihnen einen Beweis meiner Ruhe zu geben, schicke ich Ihnen hier eine kleine Broschüre 251-+, welche darauf abzielt, die Mängel der Deutschen Litteratur zu bemerken, und die Mittel zu ihrer Vervollkommnung anzuzeigen. Der Oberst Grimm, der ein Deutscher ist, wird Ihnen Auskunft über diese Sprache geben, die Sie nicht gelernt haben, und die zu lernen bis jetzt nicht der Mühe verlohnte, denn eine Sprache verdient nur in Rücksicht der guten Schriftsteller, welche ihr Glanz verschaffen, studirt zu werden, und hieran fehlt es uns gänzlich. Vielleicht aber werden sie erscheinen, wenn ich in den eliseischen Feldern lustwandle, wo ich dem Mantuanischen Schwan 251-++ die Idyllen eines Deutschen, Na mens Geßner, und Gellert's Fabeln überreichen will.<252> Sie werden über die Mühe spotten, die ich mir gegeben habe, eine Nation, die bisher nichts verstand, als essen, trinken, die Liebe Pflegen und sich schlagen, einige Begriffe von Geschmack und Attischem Salze beizubringen. Indeß, man will doch gern nützlich sein, und oft keimt ein Wort, welches man in einen fruchtbaren Boden säet, und bringt Früchte über alle Erwartung hervor. etc."

8. Januar 1781

Der König stattet der Prinzessin Amalie einen Besuch ab.

12. Januar 1781

Kabinetsordre des Königs an die Berliner Kaufleute 252-+: "Der augenscheinlich überhand nehmende Gebrauch des Kafee, so wie die damit immer mehr um sich greiffende Contrebande mit demselben, sind die einzigen Ursachen, welche Se. Königl. Maj. bewegen, die unter Händen seiende Anstalt zu treffen.

Höchstdero einzige Absicht ist diese: daß nicht alle Maurer, Mägde und dergleichen von ihrer Hände Arbeit sich nährende Personen Kaffee trinken sollen. Und da solches dem wahren Besten der Unterthanen angemessen ist, so können Höchstdieselben um so weniger davon abgehen und auf die dagegen unter dem 10ten eingereichte Vorstellung der hiesigen Material-Händler Rücksicht nehmen. etc."

14. Januar 1781

Der König an Ebendieselben: "Aus der anderweiten Vorstellung der hiesigen Materialhändler vom gestrigen Dato, wegen der bevorstehenden Veränderung des Kaffeehandels, ergiebt sich, daß dieselben die landesväterliche Absicht Sr. Königl. Maj. hierunter in ihrem ganzen Umfang nicht erkennen, daher wollen Höchstdieselben ihnen solches hiermit näher bekanntmachen. Zu dem Ende muß gedachte Material-Handlung wissen, daß eines Theils blos für Kaffee, wenigstens jährlich 700000 Thlr. aus dem Lande gehen, und dagegen die Bierbrauerei, welche blos eigene Landesproducte consumirt, zum größten und unwiederbringlichen<253> Verlust des Adels, des Bürgers und des Landmanns, abscheulich herunter und ihrem Ruine nahe gekommen ist. etc."

18. Januar 1781

Kabinetsordre des Königs an den Kaufmann Apitsch als Deputirten der (vier) Gemeinen der Dreifaltigkeits-, Jerusalems, Gertraud- und Kölnischen Vorstadt-Kirche (jetzigen Louisenstädtschen-Kirche) in Berlin: "Se. Königl. Maj. von Preußen etc. kennen den großen Werth einer vernünftigen Toleranz in Religionssachen zu genau, um auf die von den hiesigen vier Gemeinen unter dem 14ten d. angegebene Neuerung Rücksicht zu nehmen 253-+, noch weniger dagegen zu verordnen. Höchstdieselben haben es Sich vielmehr aus völliger Ueberzeugung, daß es die Pflicht eines jeden guten Landesvaters ist, zum unveränderlichen Gesetz gemacht, jedem Dero Unterthanen völlige Freiheit zu lassen, zu glauben und seinen Gottesdienst zu verrichten wie er will; nur daß seine Lehrsätze und Religionsübungen weder der Ruhe des Staats, noch den guten Sitten nachtheilig sein müssen.

Höchstdieselben wollen dahero auch, daß in den Kirchen kein Zwang in Ansehung des Katechismus noch des Gesangbuchs herrschen, sondern jede Gemeine hierunter ganz freie Hände haben und behalten soll. Vermuthlich ist der neue Katechismus, so wie das neue Gesangbuch verständlicher und vernünftiger, und dem wahren Gottesdienste angemessener, weil so viele andere Gemeinen, bei welchen in allgemeinem Ruf stehende Männer sich befinden, solchen den Vorzug eingeräumt haben. Gedachte vier Gemeinen haben dahero dabei sich gänzlich zu beruhigen; indem, wie bereits gedacht, ihnen so<254>wohl als jedem ihrer Mitunterthanen ganz frei steht, zu glauben und zu singen was er will."

(Eigenhändiger Zusatz des Königs). "Ein jeder kann bei mir glauben was er will, wenn er nur ehrlich ist. Was die Gesangbücher angehet, so stehet es einem jeden frei zu singen: Nun ruhen alle Wälder, oder dergleichen dummes und thörigtes Zeug 254-+; aber die Priester müssen die Toleranz nicht vergessen, denn ihnen wird keine Verfolgung gestattet werden."

20. Januar 1781

Instruction des Königs für die Feldlazarethe.

20. Januar 1781

Der König stattet bei der Prinzessin Amalie einen Besuch ab.

21. Januar 1781

Der König an den Magister und Conrector Moritz: "Malten alle Deutsche Dichter wie Ihr, in Euren Mir zugefertigten Gedichten 254-++, mit so viel Geschmack, und herrschte in ihren Schriften eben der Verstand und Geist, welcher aus den beigelegten zwei kleinen Briefsammlungen hervorblickt; so würde Ich bald meine landesväterlichen Wünsche erfüllt, und die Deutschen Schriftsteller an Würde und Glanz den aus<255>wärtigen den Rang streitig machen sehen. Eure drei Schriften eröffnen Mir dazu eine neue angenehme Aussicht. Sie haben Meinen völligen Beifall, und Ich ermuntere Euch zu fernern Vervollkommnung der vaterländischen Sprache als Euer gnädiger König."

23. Januar 1781

Der König nach Potsdam.

24. Januar 1781

Das Geburtsfest des Königs wird bei der Königin in Berlin gefeiert.

?? Januar 1781

Der König an den Minister von Herzberg :

"Ich vertraue Ihnen hier einige Betrachtungen über die Regierung an; sie sind in meinem Hause gedruckt worden, nicht für das Publikum geschrieben, und werden in Ihren Händen bleiben. Ich bin etc."

(S. oben unter d. 13. Aug., 5. Septbr. und 5. Oktbr. 1777 die Briefe an Voltaire und d'Alembert).

Der König schenkt dem General von Möllendorf und dem Ober-Stallmeister von Schwerin jedem ein Porzellan-Tafelservice.

Für die Armen der Stadt läßt der König wie alljährlich wieder eine beträchtliche Summe auszahlen. In Potsdam waren : der Prinz Friedrich von Braunschweig, die Generale von Wartenberg und von Holzendorf und der Prinz von Hohenlohe.

B.

1. Januar 1781

Anfang der Anwendung der neuen Prozeßordnung (die unter dem Titel : Corpus juris Friederciani, erstes Buch, erschien) bei den Landes-Justiz-Collegien in allen nach dem 1. Januar einkommenden Sacken.

21. Januar 1781

Deklaration wegen Errichtung der königl. Kaffee-Brennerei und wegen Verkauf des gebrannten Kaffees.


251-+ Sur la Litterature allemende etc.

251-++ Virgil.

252-+ Die Veranlassung siehe unten bei B.

253-+ Die Gemeinen hatten darauf angetragen: ihnen das alte Porstsche Gesangbuch zu lassen, sie wider die neuen Reformatoren der Bibel und des Katechismus zu schützen, und zu befehlen, daß alle von den Predigern eigenmächtig gemachte Lehrbücher abgeschafft und der Luthersche und Heidelberger Katechismus wieder eingeführt werden.

254-+ Diese Worte hat der König offenbar unbedacht und flüchtig hingeworfen, denn dies Lied verdient wohl eine solche Bezeichnung nicht. Der Redacteur der Tübinger Morgenblätter 1803, Nr. 139 zeigt, daß der Dichter (Paul Gerhard) den schönen Vers aus Virgil's Aeneide Lib. IV. v. 522 - 528:
     

Nox erat, et placidum carpebant fessa soporem
Corpora per terras, silvaeque et saeva quierent. etc.

nachgeahmt hat.
     Auch Statius in seinem Gedicht an den Schlaf (Silvarum L. v. 4) singt:
     

- - Tacet omne pecus, volucresque, feraeque,
Et simulant fessos curvata cacumina somnos. etc.

254-++ Sechs Deutsche Gedichte, dem Könige von Preußen gewidmet von C. P. Moritz. Berlin, 1781. Sie sind überschrieben: 1) Gemälde von Sanssouci 1779. 2) An den Mai 1779. 3) Das Mandwer. 4) Sonnenaufgang über Berlin am 10. Aug. 1780. 5) Die Sprache. 6) Friedrich.
     Die Briefsammlungen sind wahrscheinlich: 1) Briefe vom Unterschied des Akkusativ und Dativ etc. und 2) Briefe über den Märkischen Dialekt etc., denn sonst hatte Moritz damals noch weiter keine Briefe in Druck gegeben.