Januar 1776.

A.

Januar 1776

Der König in Potsdam.

4. Januar 1776

Der Großkanzler von Fürst und der Justizminister von Carmer stellen sich auf Befehl des Königs bei ihm ein, um in seiner Gegenwart ihre ganz entgegengesetzten Meinungen über die Annehmbarkeit des von dem von Carmer entworfenen Plans zur Verbesserung der Justizverfassung vorzutragen, und ihre Gründe für und wider anzugeben. Da diese Conferenz zu keiner Vereinigung führte; so befahl der König<134> mündlich und mittelst Kabinetsordre von demselben Tag, daß von Fürst und von Carmer den Kammergerichts-Präsidenten von Rebeur als dritten Commissarius hinzuziehen, mit ihm die Conferenz über diesen Gegenstand fortsetzen und darüber weiter an ihn berichten sollten.

10. Januar 1776

Der König an Voltaire: "Ihren Brief habe ich gerade zur rechten Zeit bekommen. Die öffentlichen Blätter hatten uns Alle durch die Nachricht erschreckt, daß Sie krank wären. Ich freue mich, daß sie auch diesmal gelogen haben. etc. Ihr letzter Zufall verpflichtet Sie, künftig Sich noch mehr zu schonen, als vorher. etc. Der Großsultan hat mir ein Geschenk mit Balsam von Mekka gemacht, der aus der ersten Hand kommt. Wenn Ihr Arzt glaubt, daß er Ihnen nützlich sein kann, so will ich Ihnen gern eine Phiole davon schicken. etc.

Unsere Akademiker geben sich jetzt mit dem Uebersetzen ab. Damit thun sie mir einen Gefallen, denn nun machen sie, daß ich die Werke der Alten lesen kann, die bisher entweder schlecht, oder in altes Französisch, oder gar nicht übersetzt waren. Bücher sind die Kinderklapper meines Alters, und Lektüre das einzige Vergnügen, dessen ich noch genieße.

Ich gestehe zu, daß, Libyen ausgenommen, wenige Staaten sich rühmen können, es uns an Sand gleich zu thun; indeß machen wir doch in diesem Jahre 77,000 Morgen zu Wiesen, diese werden 7000 Kühen Futter geben; der Dünger von ihnen wird unsern Sandboden fetter und besser machen, und die Ernten werden also ergiebiger und besser ausfallen. Ich weiß wohl, daß die Menschen nicht im Stande sind, die Natur umzuändern; aber mich dünkt, durch vielen Fleiß und Arbeit bringt man es doch dahin, daß ein dürrer Boden besser und wenigstens mittelmäßig wird. Damit müssen wir uns denn begnügen. etc."

11. Januar 1776

Da nach dem vom Großkanzler von Fürst unter dem 10ten dem Könige abgestatteten Bericht, über die fortgesetzte Confe<135>renz, selbige kein Resultat gegeben, so überreichte von Fürst zugleich einen Aufsatz unter dem Namen : "Kürzliche Hauptprincipia zur Justizreform," zur Allerhöchsten Genehmigung und Vollziehung. Hierauf antwortete der König an demselben Tage dem Großkanzler :

11. Januar 1776

"daß er unter dem Bericht vom 10ten des Kammergerichts-Präsidenten von Rebeur Unterschrift vermisse, ohngeacht derselbe von Allerhöchstdemselben zum dritten Commissarius ernannt worden, und er wolle seinen unmittelbaren Ausspruch über die Verschiedenheit der Meinungen noch so lange aussetzen, bis er selbst mit dem Kammergerichts-Präsidenten von Rebeur darüber gesprochen, die Principia mit ihm durchgegangen, und gegen das Projcct des Ministers von Carmer zusammen gehalten."

11. Januar 1776

An demselben Tag erhielt der etc. von Rebeur folgende Kabinetsordre.

"Bester, besonders lieber Getreuer?

Nach Meines Großkanzlers Freiherrn von Fürst eingegangenen Bericht haben die ihm und Euch aufgetragenen Comferenzien mit Meinem Etats Minister von Carmer über die Mir so angelegentliche Justiz-Verbesserung den davon erwarteten Erfolg nicht gehabt, und die gehoffte Vereinigung hat dabei nicht statt gefunden. Ich habe daher noch Anstand genommen, über die Verschiedenheit Eurer Meinungen Meinen unmittelbaren Ausspruch zu thun, und Mich über die von Meinem Großkanzler vorgelegten Hauptprincipia dieser Justiz-Verbesserung näher zu erklären, sondern will vielmehr darüber mit Euch noch selbst sprechen, und solche noch einmal mit Euch durchgehen, und mit dem Project Meines Etats-Ministers von Carmer zusammen halten. Zu dem Ende befehle Ich Euch hiermit, Euch Morgen oder Uebermorgen, als den 12ten oder 13ten, bei Mir allhier einzufinden, und alle dazu gehörigen Briefschaften nebst dem nur gedachten von Carmerschen Projecte mitzubringen. Ich bin etc."

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13. Januar 1776

An diesem Tage, bald nach 9 Uhr Morgens, giebt der König dem Kammergerichts-Präsidenten von Rebeur, der nach seinem Befehl vom 10ten nach Potsdam gekommen war, Privataudienz, in welcher er sich mit ihm über die entgegengesetzten Ansichten etc. des Großkanzlers von Fürst und des Justiz-Ministers von Carmer in Betreff des von Letzterm entworfenen Justiz-Verbesserungsplans unterredete. Der König hatte Tags vorher einen heftigen Fieberanfall gehabt, von dem er noch sehr ermattet war, und sich daher während der ganzen Unterredung, die in Französischer Sprache geführt ward, im Bette befand. Seine Sprache war so schwach, daß der Präsident ganz nahe vor des Königs Bette treten mußte. Er dictirte, nach umständlicher Besprechung des Gegenstandes, dem von Rebeur seine Intention in 11 Puncten, und befahl ihm hiernach, ein Gesetz zur Beschleunigung der Prozesse zu entwerfen.

Als der Präsident das Harte des Carmerschen Antrags, "ach welchem sich die Parteien in Person stellen sollten, bemerkbar machte, sagte der König die denkwürdigen Worte: "Dans ce point-ci Vous avez parfaitement raison; il ne faut point traiter le Public avec dureté." Und bei der Gelegenheit, wo der Präsident in Betreff der Findelhäuser 136-+ äußerte: daß nicht allein uneheliche, sondern auch eheliche Kinder unvermögender Eltern dem Hause zur Last fallen würden, antwortete der König: "J'aime mieux les nourir aux dépens de l'état, que de les laisser périr chez les parens," und als von Rebeur um Erlaubniß bat, einen Vorschlag thun zu dürfen, sagte der König: "Dites hardiment tout ce que vous jugerez a propos."

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15. Januar 1776

Der Präsident von Rebeur verfaßte sogleich nach seiner Rückkehr in Berlin, nach den ihm vom Könige dictirten 11 Sätzen, das befohlene Gesetz zur Beschleunigung der Prozesse, unter dem Titel: "Neue Verordnung, um die Prozesse zu verkürzen," und übersandte es den 14ten an den König, welcher es den 15ten vollzog, wodurch der Entwurf des Justiz-Ministers von Carmer, der bald darauf nach Breslau zurückging, auf mehrere Jahre beseitigt wurde.

18. Januar 1776

Der König giebt den von der Kurmärkischen Landschaft auf seinen Befehl nach Potsdam geschickten Deputirten Audienz. Es waren: der Domdechant von Arnim, der Landes-Deputirte von Werdeck, Landrath von Luck und Kriegsrath Dietrich. Er empfing sie mit den Worten: "Kommen Sie herein, kommen Sie näher. Ich will jetzt nicht als König, sondern als Ihr Rathgeber, als Freund mit Ihnen sprechen. Es ist nöthig, daß Sie Sich mehr vereinigen, um eine so nützliche Sache zu Stande zu bringen, wie in Schlesien, wo die Sache excellent geht 137-+. Meine Absicht ist keine andere, als das Wohl des Staats, und die Erhaltung der Stände und des Adels, dessen Credit so gefallen ist. etc." (Diese merkwürdige Unterredung, welche ein neuer Beweis ist, sowohl von des Königs umfassenden Einsichten, als von seinem wahrhaft landesväterlichen Streben, das Wohl seiner Unterthanen zu befördern, findet sich in der 8. Sammlung der Anekdoten und Charakterzüge aus dem Leben Friedrich's d. Gr. Berlin, 1788, bei Unger, S. 108-118). S. Nachträge.

18. Januar 1776

An demselben Tage, dem Geburtsfeste des Prinzen Heinrich, schenkt der König diesem eine Tabatiere von großem Werth.

24. Januar 1776

Das Geburtsfest des Königs wird bei der Königin in Berlin gefeiert.

Außer den vorstehend genannten Personen waren in diesem Monat auch beim König : der Prinz Leopold von Braun<138>schweig, beide Prinzen von Würtemberg, Friedrich und Ludwig, und die Generale von Hordt und von Prittwitz.


136-+ Nach Beendigung der Besprechung über die Justiz-Verbesserung unterhielt sich der König mit dem Präsidenten noch über andere Gegenstände, unter andern über die schicklichsten Mittel, dem Verbrechen des Kindermordes vorzubeugen.

137-+ Der König meint das 1769 in Schlesien enichtete Creditsystem. Siehe Rödenbeck's Beitrage Thl. II. S. 380.