Dezember.

A.

Dezember 1774

Der König in Potsdam.

2. Dezember 1774

In einer Kabinetsordre an den Kämmerer, Freiherrn von M... sagt der König: "daß unmittelbare Verfügungen in Rechtssachen, gegen Seine so oft bekannt gemachte Gesinnungen seien, nach welchen Er alle Rechtspflege dem Pflichtmäßigen Ermessen Seiner Justiz-Collegiorum überlasse, welche ein für alle Mal zu aller Unparteilichkeit angewissen sind, und wobei Er dem Rechte freien Lauf lasse." (Hymmen's Beiträge III. 112) 107-+.

10. Dezember 1774

Der König an Voltaire :

- etc. - "Ich mache immer von Herzen gern mit denen gemeinschaftliche Sache, die mir Gelegenheit geben, die Unschuld aufrecht zu erhalten und die Unterdrückten zu befreien. Jeder Souverän, ist verpflichtet, in seinem Lande so zu verfahren, und wenn es sich gerade so trifft, kann er es bisweilen auch in andern Ländern thun. etc."

14. Dezember 1774

Der König an d'Alembert :

Der Bildhauer (Tassaert) ist mit dem Briefe angelangt, den Sie ihm mitgegeben haben, etc. An Arbeit soll es ihm nicht fehlen. etc. Die Stücke, die ich von ihm gesehen habe, sind schön; und auf Ihr Zeugniß halte ich sein Gehirn für besser organisirt, als das seines Vorgängers war. Wenn ich wählen muß, so will ich lieber weniger Kunst bei einem ruhigen Geist, als mehr Geschicklichkeit bei einer beständigen<108> Unruhe mit einem ungestümen Treiben, wodurch ein Künstler Alle, die mit ihm zu thun haben, quält. Meinem Alter ist Ruhe das Erwünschteste, und man fühlt Abneigung gegen Alles, was sie stört.

Grimm, der jung ist, denkt anders. Ich halte ihn für ganz entschlossen, sich in große Abenteuer zu stürzen. Daß er mein Portrait in Porzellan besäße, vermnuthete ich nicht, ich wußte nicht einmal, daß ein solches Bildniß da ist. Man muß Apoll, Mars oder Adonis sein, um sich malen zu lassen, und da ich nicht die Ehre habe, einer von diesen Herren zu sein, so habe ich, so viel von mir abhing, mein Gesicht dem Pinsel entzogen. etc."

Dann erwähnt der König noch der Krankheit Catt's, und fährt dann fort: "Solchen Zufällen ist die unglückliche Menschheit ausgesetzt, und nun sage man noch, daß man keiner Philosophie bedürfe! Man bedarf derselben sehr viel, aber mehr der practischen, als der speculativen. Die erste ist Bedürfniß, die zweite Luxus. etc."

20. Dezember 1774

Der König nach Berlin. Ehe er aufs Schloß fährt, besucht er die Prinzessin Amalie unter den Linden; Mittags war große Cour, Abends die erste Redoute.

22. Dezember 1774

Der König befiehlt dem Präsidenten der Ober-Rechenkammer Roden, dem Prinzen von Preußen Unterricht im Finanzwesen zu geben.

24. Dezember 1774

Der König an Voltaire :

- etc. - "In jedem Lande, wo Plutus mehr gilt als Minerva, muß man natürlicherweise erwarten, daß die Börsen voll und die Köpfe leer sind. Anständige Mittelmäßigkeit ist für einen Staat am zuträglichsten; durch Reichthümer entstehen darin verderbte Sitten und Weichlichkeit. Ich will nicht sagen, es könne noch jetzt eine Republik wie die Spartanische existiren, aber wenn man die gehörige Mittelstraße zwischen Mangel und Ueberftuß hält, so wird der National- Chararter etwas mehr Männlichkeit behalten, wodurch denn

<109> Fleiß, Arbeitsamkeit und überhaupt Alles befördert wird, was die Seelenkräfte erhöht. Durch großes Vermögen wird man entweder ein Knauser oder ein Verschwender, etc. Vielleicht werfen Sie mir ein, daß England sehr reich ist, und doch große Männer hervorgebracht hat. Das gebe ich zu; aber die Insulaner haben überhaupt einen andern Charakter, als wir auf dem festen Lande, lsnd die Engländer sind in ihren Sitten nicht ganz so weichlich wie die übrigen Europäer. Auch unterscheidet sich ihre Regierungsform von der unsrigen, und das Alles zusammengenommen bewirkt ganz andere Combibinationen. Dabei bringe ich den Umstand noch nicht in Anschlag, daß sie durch ihre Lage eine seefahrende Nation sind, und also härtere Sitten haben müssen, als man sie bei uns Landgeschöpfen antrifft.

Wundern Sie Sich nicht über die Wendung dieses Briefes; das Alter veranlaßt Reflexionen, und mein Stand nöthigt mich, sie so weit auszubreiten, als möglich ist. Indeß führen sie mich doch alle wieder zu den Wünschen für Ihr Leben hin. Ich wünsche, daß Sie mich begraben mögen, denn nach dem Tode nihil est."

Der König schenkt dem General Ramin einen prächtigen Sattel von Sammet mit einer reich gestickten Schabracke.

Wie gewöhnlich immer, wenn der König auf mehrere Tage in Berlin war, nahm er auch jetzt die Wachtparade in Augenschein. Es geschah regelmäßig an den sogenannten Geld, tagen, wo die Regimenter ihre Löhnung erhielten.

In diesem Jahre schrieb der König "Die Dedication zum Leben des Appolonius von Tyane" (Deutsche Supplem. III. 330), deren Echtheit von Einigen jedoch bezweifelt wird.

B.

4. Dezember 1774

Der bisherige Landschafts-Director zu Brieg Friedrich Christoph von Görne wird zum Minister ernannt (siehe unter Januar 1782).

16. Dezember 1774 bis 17. Dezember 1774

Nachts stirbt der General von Wylich und Lottum.

<110>

27. Dezember 1774

Verordnung, daß die Dienste der Unterthanen durch ordentliche Dienstreglements und Urbarien bestimmt werden sollen. Die Ordnung des diesjährigen Carnevals war folgende: Sonntag und Mittwoch Mittag: große Cour beim König, nach deren Beendigung er oft bei der Königin speist.

Sonntag: Cour bei der verwittweten Prinzessin von Preußen; Montag: Oper; Dienstag: Redoute; Mittwoch: Französisches Schauspiel; Donnerstag: Cour bei der Konigin; Freitag: Oper; Sonnabend: Ruhe.

Die beiden Opern waren: 1) Semiramis und 2) Demophontes. Die Französischen Schauspiele: l'Europe galante, le Democrit amoureux, le François à Londres, le Distrait, und L'Amant l'Auteur et Valet, Phèdre, Andromaque, beide letztere von Racine. In diesem Jahre ward auf dem Gensdarmenmarkt das Französische Schauspielhaus zu bauen angefangen 110-+. Es erhielt die Ueberschrift: Ridemtir et corrigintur mores.


107-+ In gleicher Art erklärt sich der König gegen jeden Machtspruch in der Kabinetsordre vom 31. Aug. 1779 (Hymmen VII. 131) und vom 4. Juli 1780 (ibid. 130). In dem Entwurf eines allgem. Gesetzbuches, Berlin 1784, Thl. I, S. 18, §. 6 der Einleitung heißt es: "Durch Machtsprüche soll Niemand in seinen Rechten gekränkt werden." Und schon in dem Codex Friedericiani von 1748 ist Thl. I, Tit. Vl, Sect. 1 dasselbe gesagt. Vergl.: Tagebuch I. Abthl., S. 154.

110-+ Es wurde später dem Deutschen Schauspiel gewidmet, und darin am 4. Dezember 1776 zum ersten Male von der Döbbelinschen Gesellschaft gespielt. Im Jahre 1800 wurde es abgetragen, und an dessen Stelle ein größeres erbaut, welches den 1. Januar 1802 eröffnet ward. Dieses brannte den 29. Juli 1817 ab. Das jetzige wurde 1818 zu bauen angefangen und den 26. Mai 1821 eröffnet.