Oktober.

A.

Oktober 1773

Der König in Potsdam (Sanssouci).

9. Oktober 1773

Der König an Voltaire :

"Ich bemerke mit Schmerz, daß seit Ihrer Abreise von hier nun beinahe 20 Jahr verlaufen sind. Ihre Imagination zeigt mich Ihnen noch, so wie ich damals war; aber wenn Sie mich sehen sollten, so würden Sie statt eines jungen Mannes, der immer tanzen zu wollen schien, nur einen hinfälligen und abgelebten Greis finden. Ich verliere mit jedem Tage einen Theil meiner Existenz, und nähere mich unvermerkt der Behausung, aus der noch Niemand mit Nachrichten zurückgekommen ist. Man will bemerkt haben, daß die meisten alten Soldaten am Ende radotiren, und daß die Gelehrten ihren Geist besser erhalten. Der große Condé, Marlborough und Prinz Eugen sahen den denkenden Theil ihres Wesens vor ihrem Leibe absterben; und mir könnte es, ohne daß ich ihre Talente gehabt habe, wohl eben so gehen. Homer, Varro, Fontenelle und so viele Andere erreichten ein hohes Alter, ohne von eben solchen Schwachheiten befallen zu werden. Ich wünsche, das : Sie alle jene Männer durch langes Leben übertreffen mögen, so wie Sie es durch Geistesarbeiten gethan haben, und bekümmere mich übrigens nicht um das Schicksal, das mich erwartet, und um einige Jahre mehr oder weniger, die gegen die Ewigkeit ein bloßes Nichts sind. etc.

Fast ganz Europa glaubt, die Theilung von Polen sei eine Folge der listigen Politik, die man mir zuschreibt; das ist aber so falsch, als nur irgend etwas in der Welt. Ich<86> schlug vergeblich verschiedene Auskunftswege vor, und mußte endlich meine Zuflucht zu dieser Theilung nehmen, da sie das einzige Mittel war, einen allgemeinen Krieg zu verhüten. Der Anschein ist betrügerisch, und das Publikum urtheilt doch nur nach ihm. Was ich Ihnen hier sage, ist eben so wahr, als die achtundvierzig Sätze des Euklides. etc."

11. Oktober 773

Der König an Ebendenselben :

- etc. - "Es ist mir lieb, daß Sie die Herzogin von Würtemberg 86-+ gesprochen haben. etc. Ich billige die edlen Thränen, die Sie bei dem Andenken meiner verstorbenen Schwester vergossen haben; gewiß hätte ich mit geweint, wenn ich bei dieser rührenden Scene zugegen gewesen wäre. Mag es Schwachheit oder übertriebene Verehrung sein; genug, ich habe für diese Schwester das ausgeführt, worauf Cicero für seine Tullia dachte, und ihr zu Ehren einen Tempel dar Freundschaft errichten lassen. Im Hintergründe ist ihre Statue, und an jeder Säule ein Medaillon von einem solchen Helden, der sich durch Freundschaft berühmt gemacht hat. Ich schicke Ihnen die Zeichnung davon mit. Der Tempel liegt in einem Bosket meines Gartens, und ich gehe oft dahin, um an so manchen Verlust und an das Glück zu denken, dessen ich ehemals genoß.

Nun bin ich schon länger als einen Monat von meinen Reisen zurück. Ich war in Preußen, um da die Leibeigenschaft aufzuheben, barbarische Gesetze abzuschaffen, vernünftigere an ihre Stelle zu setzen, einen Kanal eröffnen zu lassen, der die Weichsel, die Netze, Warthe, Oder und Elbe mit einander verbinden soll; Städte wieder aufzubauen, die seit der Pest von 1709 wüste geblieben sind, Sümpfe von 20 Meilen auszutrocknen, und einige Polizei anzuordnen, die man dort nicht einmal dem Namen nach kannte. Dann habe<87> ich in Schlesien meine armen Ignatier über die Strenge des Römischen Hofes getröstet, ihrem Orden neue Kräfte gegeben und sie in verschiedene Provinzen vertheilt. So erhalte ich sie und mache sie dem Staate nützlich, da ich ihre Schulen zum Unterricht der Jugend angewandt wissen will, dem sie sich nun ganz widmen werden. Außerdem habe ich Anstalten getroffen, daß in Ober-Schlesien, wo noch ungebautes Land war, 60 Dörfer angelegt, und jedes mit 20 Familien besetzt werden soll; ferner habe ich, zur Beförderung des Handels, Landstraßen durch die Gebirge anlegen und ebendaselbst zwei abgebrannte Städte wieder herstellen lassen, die vorher nur hölzerne Häuser hatten, nun aber von gebrannten Steinen und sogar von Ouaderstücken gebaut werden sollen."

18. Oktober 1773

Der Fürst-Bischof von Ermeland und sein Bruder, der Abt, Grafen Krasicky in Potsdam, bis den 30sten. Auch der Prinz Ferdinand war einige Tage beim König in Potsdam.

B.

31. Oktober 1773

Das vierte Artillerie-Regiment bezieht die neu erbaute Kaserne auf der Contrescarpe (jetzt Kaserne des Kaiser Alexander Grenadier-Regiments, Alexanderstraße Nr. 56).

In diesem Monat kam auch der Graf von Hohenzollern, Domherr zu Breslau, nach Berlin, und war auch in Potsdam.

Jemelka Pugatschew's Verschwörung in Rußland.


86-+ Die Tochter der Markgräfin von Baireuth, der hier erwähnten verstorbenen Schwester des Königs.