Januar 1772.

A.

2. Januar 1772

Der König in Berlin, an Voltaire :

"Ich gestehe es, daß es meine Schuldigkeit ist, Sie mit den Conföderirten, die ich besinge, bekannt zu machen. etc. So wissen Sie denn, daß meine Conföderirten, die zwar weniger tapfer, als Ihre Liguisten, aber eben so fanatisch sind, diesen in Verbrechen nichts haben nachgeben wollen 54-+. Mit dem schrecklichen Angriff, den man auf den König von Polen gemacht hat, der aber verunglückt ist, verhält es sich (bis auf den Umstand mit der Communion) gerade so, wie die Zeitungen es weitläuftig erzählt haben. etc. Aus dem dritten und vierten Gesänge, den ich Ihnen schicke, werden Sie sehen, daß sich unmöglich große Gegenstände unter so viele Ungereimtheiten mischen lassen. Das Erhabene ermüdet zuletzt, aber über das Niedrigkomische lacht man. Ich glaube mit Ihnen, je älter man wird, desto mehr müsse man sich aufzuheitern suchen. etc."

24. Januar 1772

Feier des Geburtstags des Königs; große Cour bei ihm, nach deren Beendigung speist er mit seiner Gemalin, der Königin von Schweden, und sämmtlichen Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses bei dem Prinzen Heinrich. Nach aufgehobener Tafel geht der König nach Potsdam. Der König läßt mehrere Tausend Thaler für die Armen auszahlen.

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26. Januar 1772

Der König an d'Alembert :

"Aus Ihrer Antwort sehe ich, daß es eine Menge Gegenstände giebt, die dabei gewinnen, wenn man sie aus der Ferne sieht. Zu dieser Anzahl könnte wohl die Conföderation in Polen gehören. Wir, die wir Nachbarn dieser rauhen Nation sind; die wir die einzelnen Glieder und die Häupter der Parteien kennen, wir halten sie bloß des Auspfeifens werth. Die Conföderation entstand aus Schwärmerei; alle ihre Häupter sind unter einander in Zwiespalt; jeder hat seine besondern Ansichten, seine besondern Entwürfe; sie handeln unbesonnen und fechten feige, und sind bloß fähig zu der Art Verbrechen, welche nur Niederträchtige begehen können. etc. Aus der Frevelthat, welche diese Elenden wider ihren König vorhatten, sieht man, zu welchen Handlungen ihr Schwindelgeist sie fähig macht. Die Ursache ihres Hasses wider diesen Fürsten besteht darin, daß er nicht reich genug ist, ihnen, dem Verlangen ihrer Gierigkeit gemäß, Pensionen zu geben, sie würden lieber einen auswärtigen Fürsten haben, der ihre Verschwendung aus seinen Domainen befriedigen könnte. Ich bedaure die Philosophen, die sich dieses in jeder Rücksicht verächtlichen Volkes annehmen. Nur in Betracht ihrer Unwissenheit kann man sie entschuldigen. Polen hat keine Gesetze, es genießt also nicht das, was man Freiheit nennt, sondern die Regierung ist in eine zügellose Anarchie ausgeartet, und der Adel begeht die grausamste Tyrannei gegen seine Sclaven. etc.

Sie bilden Sich ein, man mache eben so leicht einen Frieden zwischen feindlichen Mächten, als schlechte Verse. Aber ich wollte eher mich unterfangen, die ganze Jüdische Geschichte in Madrigale zu bringen, als drei Souverainen, worunter noch dazu zwei Frauen sind, gleichstimmende Gesinnungen einzuflößen. Dennoch aber lasse ich den Muth nicht sinken. etc. Wenn das Haus unsers Nachbars brennt, so muß man das Feuer löschen, damit es nicht das unsrige ergreife. etc.

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Der arme Helvetius wird sich auf nichts mehr wälzen, ich habe seinen Tod mit unbeschreiblichem Kummer erfahren, sein Charakter schien mir ganz vortrefflich. Vielleicht hätte man gewünscht, daß er seinen Witz weniger als sein Herz zum Rathgeber gebraucht hätte. etc."

In d'Alembert's letztem Brief an den König hatte er sich bei ihm für eine ihm befreundete Familie verwendet, welche durch einen Artikel in der Nieder-Rheinischen Zeitung, die in Cleve herauskam, an ihrer Ehre verletzt worden zu sein glaubte 56-+. D'Alembert bat nun im Namen jener Familie, daß er dem Cleveschen Zeitungsschreiber befehlen möchte, den beigefügten Widerruf des beleidigenden Artikels sogleich in seine Zeitung aufzunehmen, und künftig von dieser Familie weder in Gutem noch in Bösem zu reden, etc. Darauf antwortet der König : "In Rücksicht des Zeitungsschreibers am Nieder-Rhein, wird die Familie Mouleon sich gefallen lassen, daß er nicht beunruhigt werde, weil ohne Freiheit zu schreiben, der Verstand im Finstern bleibt, und weil alle Encyclopädisten, deren eifriger Schüler ich bin, sich gegen jede Censur aufgelehnt haben, und darauf dringen, daß die Presse frei sei, und jeder, was ihm seine Denkungsart eingiebt, schreiben könne. etc."

(Siehe jedoch weiterhin des Königs Brief vom 7. April).

27. Januar 1770

Die Abhandlung des Königs: "Ueber den Nutzen der Wissenschaften und Künste," wird in der Akademie, wo die Königin von Schweden gegenwärtig war, von dem Professor Thiébault vorgelesen.


54-+ Ueber die von den Conföderirton verübten Grausamkeiten findet man Nachrichten in (de la Veaux) vie de Frédéric II. etc. Tom. VI. pag. 52, 53.

56-+ Der fragliche Artikel enthielt bloß eine angeblich unrichtige Genealogie dieser Familie, wie man aus einem andeln Brief des Königs an d'Alembert ersieht.