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VIERZEHNTES KAPITEL Ausbruch des Ersten schlesischen Krieges.

Unter den Aussichten auf mancherlei behaglichen Genuß hatte man den Herbst begonnen. Voltaire war, auf Friedrichs Einladung, nach Berlin gekommen; man konnte sich jetzt lebhafter und minder gestört, als bei jenem ersten flüchtigen Zusammentreffen, gegeneinander aussprechen. Neben Voltaire waren noch andere geistreiche Männer um Friedrich versammelt. Auch seine beiden Schwestern, die Markgräfinnen von Bayreuth und von Anspach, kamen zum Besuche. Wissenschaftlicher Verkehr, Konzerte, Festlichkeiten schienen eine längere Reihe von heiteren Tagen anzukündigen.

Da brachte ein Eilbote die Nachricht, daß Kaiser Karl VI. am 20. Oktober (1740) gestorben sei. Friedrich war eben in Rheinsberg, wo er sich von erneuten Fieberanfällen, die periodisch wiederkehrten, zu erholen suchte. Mit Gewalt schüttelte er das Fieber von sich und begann die Ausführung dessen, was er lange schon im Innern vorbereitet hatte. « Jetzt ist die Zeit da (so schrieb er in einem Billett an <131>Voltaire), wo das alte politische System eine gänzliche Änderung leiden kann; der Stein ist losgerissen, der auf Nebukadnezars Bild von viererlei Metallen rollen und sie alle zermalmen wird. »

Das Bild, das weiland König Nebukadnezar im Traume gesehen und das ihm der Prophet Daniel ausdeuten mußte, war aus Metallen stattlich erbauet, aber in den Füßen waren Eisen und Ton gemischt, so daß es dem Stoße nicht zu widerstehen vermochte. So war auch die österreichische Herrschaft beschaffen. Das große Reich war ohne innere Kraft; ein unglücklich geführter Türkenkrieg hatte in den letzten Jahren auch die letzten Hilfsmittel erschöpft. Prinz Eugen, lange Zeit die Stütze des Reiches, war gestorben, ohne daß seine Stelle durch einen andern hätte besetzt werden können. Karl VI. hatte es als die Aufgabe seines Lebens betrachtet, für das Erbfolgerecht seiner Tochter Maria Theresia die Gewährleistung aller bedeutenderen Mächte Europas zu erlangen; Eugens Rat, die pragmatische Sanktion lieber durch ein Heer von 180,000 Mann als durch ein flüchtiges Versprechen zu sichern, war unbeachtet geblieben. Preußen dagegen strebte in jugendlicher Frische empor. Oft zwar hatte man über König Friedrich Wilhelm gespottet, daß er unmäßige Kosten auf sein Kriegsheer verwendet und doch dasselbe seit geraumer Zeit in keine Schlacht geführt habe; aber das Dasein dieses Kriegsheeres ließ sich nicht wegleugnen, und es war geübt, wie kein zweites. Zugleich waren seine Provinzen blühend, die Einkünfte verhältnismäßig bedeutend, keine Schulden belasteten den Staat, im königlichen Schatze befanden sich bar nahe an neun Millionen Taler. Mit solchen Mitteln konnte ein kräftiger, männlicher Geist es wagen, selbständig in das Rad der Geschichte einzugreifen und seiner Größe, seinem inneren Berufe Anerkennung zu verschaffen.

Österreich hatte schon seit Jahrhunderten gegen den brandenburgisch-preußischen Staat eine fast mehr als zweideutige Rolle gespielt. Von den Verhältnissen zu Friedrich Wilhelm ist in der Jugendgeschichte seines Sohnes Erwähnung geschehen; seine Ansprüche auf Jülich und Berg waren von dem Kaiser zu gleicher Zeit anerkannt und denen anderer Prätendenten nachgesetzt worden. Friedrich hätte jetzt, auf seine Militärmacht gestützt, diese Ansprüche aufs neue geltend machen können; aber er sah die Größe der Gefahr, der er sich hiebei aussetzen mußte, zu wohl ein; er hätte zu viele Mitbewerber gegen sich gehabt, und er hätte sein ganzes Reich von Truppen entblößen müssen, um alle Macht auf diesem einen entlegenen Punkte zusammenzuziehen. Ungleich wichtiger waren andere Ansprüche, die Friedrich, und zwar mit entschiedenem Rechte, erheben durfte, die ihm, unter den gegenwärtigen Umständen, einen minder gefahrvollen Erwerb, seinem Staate einen glänzenderen Gewinn zu <132>sichern schienen. In Schlesien nämlich waren seinen früheren Vorfahren mehrere Fürstentümer — Jägerndorf, Liegnitz, Brieg und Wohlau, in den verschiedenen Teilen des Landes gelegen, — zu verschiedenen Zeiten erblich zugefallen; aber sie waren stets von dem kaiserlichen Hofe ungebührlicherweise zurückgehalten worden. Diese Angelegenheit hatte schon früher zu manchen Streitigkeiten geführt. Unter dem Großen Kurfürsten endlich, als man dessen Hilfe gegen die Türken bedurfte, hatte der österreichische Hof ein scheinbares Abkommen getroffen, indem an Brandenburg, statt jener Fürstentümer, ein, freilich viel kleinerer Teil, der schwiebusische Kreis, überlassen ward; zuvor aber hatte man den Sohn des Kurfürsten durch allerlei Vorspiegelungen dahin gebracht, daß dieser heimlich versprach, auch jenen Kreis nach seiner Thronbesteigung wieder an Österreich zurückzugeben. Als dieser nun — der nachmalige König Friedrich I. — zur Regierung kam und den Ministern sein heimliches Versprechen mitteilte, wurden ihm über die Ränke des kaiserlichen Hofes die Augen geöffnet. Zwar ward er in der Tat genötigt, sein Versprechen zu halten; aber er tat es mit den Worten, daß er es seinen Nachkommen überlasse, ihr Recht in Schlesien auszuführen. « Gibt es Gott und Zeit (so sprach er) nicht anders als jetzt, so müssen wir zufrieden sein; schickt es aber Gott anders, so werden meine Nachkommen schon wissen und erfahren, was sie desfalls dereinst zu tun und zu lassen haben. »

Friedrich wußte, was er zu tun habe. Der lebhafte Drang, der den jungen König zu ruhmvollen Taten trieb, hatte ein würdiges Ziel gefunden; unendliche Dauer der Reichsprozesse konnte hier nicht zum erwünschten Erfolge führen; die günstige Gelegenheit mußte schnell gefaßt, das Recht durch die Kraft vertreten werden.

Friedrich bedurfte keiner langen Vorbereitungen, um sich, zur Erwerbung seines Rechtes, auf einen kriegerischen Fuß zu setzen. Sein Plan ward nur wenigen Vertrauten mitgeteilt. Aber die ungewöhnlichen Bewegungen, die auch zu dieser kurzen Vorbereitung nötig waren, die Truppenmärsche, Artilleriezüge, die Einrichtung der Magazine und dergleichen gaben es kund, daß irgendein großes Unternehmen im Werke war. Alles ward von Staunen und von Neugier erfüllt; die verschiedensten Gerüchte brachte man in Umlauf; die Diplomaten sandten und empfingen Kuriere, ohne mit Bestimmtheit den Plan des Königs erraten zu können. Absichtlich hatte dieser einige Truppenmärsche so angeordnet, daß man vorerst eher an eine Rhein-Campagne, wegen Jülich und Berg, als an Schlesien dachte. Die verkehrten Meinungen, die im Publikum herüber- und hinüberwogten, machten ihm große Freude. « Schreib mir viel Possierliches (so heißt es in einem Briefe Friedrichs aus Ruppin <133>an Jordan), was man sagt, was man denkt und was man tut. Berlin soll jetzt aussehen wie Frau Bellona in Kindesnöten; hoffentlich wird sie ein hübsches Früchtchen zur Welt bringen, und ich durch irgend einige kühne und glückliche Unternehmungen das Vertrauen des Publikums gewinnen. Da wär ich denn endlich in einer der glücklichsten Lagen meines Lebens und in Konjunkturen, die einen sichern Grund zu meinem Ruhme legen können! »

Indes konnte es auf die Länge nicht verborgen bleiben, daß die preußischen Truppen sich an der schlesischen Grenze zusammenzogen. Der österreichische Hof ward durch seinen Gesandten in Berlin von der Gefahr benachrichtigt; der Staatsrat der Maria Theresia schrieb aber zurück, daß er diesen Nachrichten Glauben weder beimessen wolle noch könne. Doch ward noch ein zweiter Gesandter, der Marquis Botta, von Wien nach Berlin geschickt, die preußischen Unternehmungen genauer zu erforschen. Diesem ward der Plan des Königs bald deutlich genug. Bei seiner Antrittsaudienz nahm er Gelegenheit, zu Friedrich mit Nachdruck von den Ungemächlichkeiten der Reise, die er soeben gemacht, zu sprechen, besonders von den schlechten Wegen in Schlesien, die gegenwärtig durch Überschwemmungen so verdorben seien, daß man nicht durchkommen könne. Friedrich durchschaute die Absicht des Gesandten, hatte indes noch nicht Lust, sich näher zu erklären; er erwiderte trocken, das Schlimmste, was einem auf solchen Wegen begegnen könne, sei, sich zu beschmutzen.

Im Dezember war alles zum Beginn des Unternehmens bereit. Der Plan, Schlesien zu besetzen, hörte jetzt auf, ein Geheimnis zu sein. Friedrich schickte einen Gesandten, den Grafen Gotter, nach Wien, um dem österreichischen Hofe seine Ansprüche auf Schlesien und die Anerbietungen, zu denen er sich bei deren Gewährleistung verpflichten wolle, vorzulegen. Er selbst gab, ehe er zu seinen Truppen abging, dem Marquis Botta noch eine Abschiedsaudienz, in welcher er nunmehr auch diesen von seinem Plane unterrichtete. « Sire », rief Botta aus, « Sie werden das Haus <134>Österreich zugrunde richten und stürzen sich selbst zugleich in den Abgrund! » Friedrich erwiderte, daß es nur von Maria Theresia abhängen werde, die ihr gemachten Vorschläge anzunehmen. Nach einer Pause fing Botta mit ironischem Tone wieder an: « Ihre Truppen sind schön, Sire, das gestehe ich. Unsre haben diesen Anschein nicht, aber sie haben vor dem Schuß gestanden. Bedenken Sie, ich beschwöre Sie, was Sie tun wollen. » Der König ward ungeduldig, und versetzte lebhaft: « Sie finden meine Truppen schön: bald werden Sie bekennen, daß sie auch gut sind! » Andere Vorstellungen, welche der Gesandte noch versuchte, brach Friedrich mit dem Bemerken ab, es sei zu spät, der Schritt über den Rubikon sei schon getan.

Ehe Friedrich aufbrach, berief er noch einmal seine Offiziere zu sich und nahm von ihnen mit folgenden Worten Abschied: « Ich unternehme einen Krieg, meine <135>Herren, worin ich keine anderen Bundesgenossen habe, als Ihre Tapferkeit und Ihren guten Willen. Meine Sache ist gerecht, und meinen Beistand suche ich bei dem Glücke. Erinnern Sie sich beständig des Ruhmes, den Ihre Vorfahren sich erwarben in den Schlachtfeldern von Warschau, von Fehrbellin und auf dem preußischen Zuge (den berühmtesten Siegen des Großen Kurfürsten). Ihr Schicksal ist in Ihren eignen Händen; Ehrenzeichen und Belohnungen warten nur darauf, daß Sie sie durch glänzende Taten verdienen. Aber ich habe nicht nötig, Sie zum Ruhme anzufeuern, nur er steht Ihnen vor Augen, nur er ist ein würdiger Gegenstand für Ihre Bemühungen. Wir werden Truppen angreifen, die unter dem Prinzen Eugen den größten Ruf hatten. Zwar ist dieser Prinz nicht mehr; aber unser Ruhm wird beim Siege nicht minder groß sein, da wir uns mit so braven Soldaten werden zu messen haben. Leben Sie wohl! Reisen Sie ab! Ohne Verzug folge ich Ihnen zu dem Sammelplatze des Ruhmes, der unsrer wartet. »

Am 13. Dezember war ein großer Maskenball im königlichen Schlosse. Während die Geigen und Trompeten lustige Tanzmelodien erklingen ließen und die Masken bunt durcheinanderwirbelten, ward alles zur Abreise des Königs zurechtgemacht. Unbemerkt verließ er die Residenz und eilte der schlesischen Grenze zu. Am 14. traf er in Crossen, nahe an der Grenze, ein. An demselben Tage zerbrach in der Hauptkirche von Crossen der Glockenstuhl, und die Glocke fiel zur Erde. Das machte die Soldaten des Königs bang, denn man hielt es für ein böses Zeichen. Friedrich aber wußte dem Vorfall eine günstigere Prophezeiung abzugewinnen; er hieß die Seinen gutes Mutes sein: das Hohe, so deutete er den Sturz der Glocke, werde erniedrigt werden. Österreich aber war natürlich, im Verhältnis zu Preußen, das Hohe, und so gewannen die, welche eben gezagt hatten, neue Zuversicht auf siegreichen Erfolg.

Am 16. Dezember betrat Friedrich den schlesischen Boden. An der Grenze fand er zwei Abgesandte, welche der protestantische Teil der Einwohnerschaft der festen Stadt Glogau ihm entgegengeschickt hatte. Sie baten ihn, falls er zur Belagerung von Glogau schreite, so möge er die Gnade haben, den Angriff nicht von derjenigen Seite der Stadt zu machen, auf welcher sich die protestantische Kirche befinde. Diese Kirche stand nämlich außerhalb der Festungswerke, und der Kommandant von Glogau, Graf Wallis, beabsichtigte, dieselbe, sowie er es bereits mit einigen anderen Gebäuden getan hatte, niederbrennen zu lassen, damit Friedrich nicht auf sie einen Angriff stützen könne. Friedrich hatte seinen Wagen halten lassen, als die beiden Abgeordneten ihre Bitte vortrugen. « Ihr seid die ersten Schlesier », so gab er ihnen zur Antwort, « die mich um eine Gnade bitten, sie soll euch auch gewährt <136>werden. » Unverzüglich ward ein reitender Bote an den Grafen Wallis abgefertigt mit dem Versprechen, ihn nicht von jener Seite anzugreifen; und die Kirche blieb verschont.

Das preußische Heer fand keine feindlichen Armeen vor sich; die schwache Besatzung des Landes reichte nur eben hin, um die wenigen Hauptfestungen zu decken. Aus Österreich konnte so schleunig keine bedeutendere Hilfe gesandt werden. Die Staffetten und Kuriere, welche das in Breslau befindliche Oberamt bei der herannahenden Gefahr nach Wien schickte, die immer dringenderen Bitten um Hilfe waren umsonst. Die letzte Resolution, welche von Wien aus erfolgte, lautete dahin, daß man die Staffettengelder sparen und sich von der Furcht nicht allzusehr einnehmen lassen solle.

So standen dem Einmarsch und der Besitznahme von seiten der Preußen keine sonderlichen Hindernisse weiter entgegen als das schlechte Wetter und die bösen Wege, von denen Marquis Botta dem Könige in der Tat nicht viel Falsches gemeldet hatte. Aber die Soldaten behielten guten Mut, und Friedrich ließ es sich, durch mannigfache Belohnung, angelegen sein, sie in dieser Stimmung zu bestärken. An die Bewohner Schlesiens wurden Manifeste ausgeteilt, welche den Einwohnern alle ihre Besitzungen, Rechte und Freiheiten bestätigten, die strengste Kriegszucht für das einmarschierende Heer verhießen, und die Absicht des Königs, sich seiner Rechte nur gegen die etwaigen Einsprüche eines Dritten zu versichern, auseinandersetzten. Diese Erklärungen, besonders die treffliche Kriegszucht, die in der Tat beobachtet <137>ward, noch mehr aber die Hoffnungen der protestantischen Bewohner Schlesiens, die in Friedrich ihren Erretter von mannigfachem Drucke sahen, machten ihm viele Herzen des Volkes geneigt. Die Protestationen, die von Seiten der österreichischen Regierung erfolgten, fruchteten dagegen wenig.

Zu Anfange freilich konnte man in Schlesien noch nicht wissen, wie man sich zwischen der althergebrachten und der neugeforderten Untertanenpflicht zu benehmen habe. Indes fehlte es schon dem Bürgermeister und Rat von Grüneberg — dem ersten bedeutenderen Orte Schlesiens, auf den die preußische Armee stieß — nicht an einem schlau ersonnenen Auskunftsmittel. Die Preußen fanden nämlich die Tore der Stadt gesperrt. Ein Offizier ward abgeschickt, sie im Namen des Königs zur Übergabe aufzufordern; man führte ihn auf das Rathaus, wo Bürgermeister und Rat in feierlicher Amtstracht versammelt waren. Der Offizier verlangte von dem Bürgermeister die Schlüssel zu den Stadttoren. Jener entschuldigte sich nachdrücklichst: er könne und dürfe die Schlüssel nicht geben. Der Offizier drohte nun, daß man die Tore sprengen und daß man mit der Stadt, wenn sie sich den gnädigen Anerbietungen des Königs widersetze, übel verfahren werde. Der Bürgermeister zuckte mit den Achseln. Hier auf dem Ratstische, entgegnete er, liegen die Schlüssel; aber ich werde sie Ihnen unter keinen Umständen geben. Wollen Sie sie selbst nehmen, so kann ich's freilich nicht hindern. Der Offizier lachte, nahm die Schlüssel und ließ die Tore öffnen. Als die Truppen eingerückt waren, ward dem Bürgermeister von <138>Seiten des preußischen Generals bedeutet, er möge, dem Kriegsgebrauche gemäß, die Schlüssel wieder abholen lassen. Der Bürgermeister weigerte sich indes ebenso wie vorhin. « Ich habe die Schlüssel nicht weggegeben », sagte er. « ich werde sie daher auch nicht holen oder annehmen. Will aber der Herr General sie wieder auf die Stelle, von der sie weggenommen worden, hinlegen oder hinlegen lassen, so kann ich freilich nichts dagegen haben. » — Der General meldete diesen Vorfall dem Könige, zu dessen großem Ergötzen. Auf Friedrichs Befehl wurden die Schlüssel durch ein Kommando des Regiments unter Musik und Trommelschlag nach dem Rathause zurückgebracht.

Die erste Festung, deren Besatzung den Preußen ein Hindernis in den Weg legte, war Glogau. Die Verteidigungswerke waren in keinem sonderlichen Zustande, doch hatte der Kommandant in der Eile einige Vorkehrungen zu seiner Sicherung getroffen. Friedrich ließ, um seine Armee in ihrem Zuge nicht auszuhalten und da überdies die ungünstige Jahreszeit eine regelmäßige Belagerung untersagte, nur ein Corps zurück, welches die Besatzung einzuschließen hinreichte, und setzte seinen Marsch gegen Breslau fort.

Breslau erfreute sich damals einer freien, fast republikanischen Verfassung; die Stadt war von dem Besatzungsrechte ausgenommen. Als ein österreichisches Corps einrücken sollte, geriet die Bürgerschaft in Bewegung; der Unwille erhöhte sich, als es in Vorschlag gebracht ward, die Vorstädte abzubrennen. Die Bürger beschlossen, ihre Wälle allein zu verteidigen. Aber schon hatten sich, schneller als man es vermutet, die Preußen der Vorstädte bemächtigt und die Stadt eingeschlossen; drinnen war man ohne hinlänglichen Vorrat von Lebensmitteln; die zugefrorenen Stadtgräben ließen einen Sturm und in Folge dessen Plünderung befürchten. So ward man zu Unterhandlungen geneigt; beschleunigt wurden dieselben durch den protestantischen Teil des Volkes, der, durch einen enthusiastischen Schuhmacher aufgewiegelt, den Magistrat zum raschen Entschlüsse trieb. Friedrich bewilligte der Stadt eine Neutralität; sie mußte ihm die Tore öffnen, sollte aber von Besatzung verschont bleiben. Des österreichischen Oberamtes war jedoch in diesem Vergleiche nicht gedacht worden; Friedrich verabschiedete, sobald er die Stadt betreten hatte, alle dazu gehörigen Personen.

Am dritten Januar (1741) hielt Friedrich in Breslau seinen feierlichen Einzug. Den Zug eröffneten die königlichen Wagen und Maultiere, letztere mit Cymbeln und mit Decken von blauem Sammet, eingefaßt von goldnen Borten und mit Adlern gestickt. Dann folgte eine Schar von Gensdarmen und auf diese der königliche Staatswagen, der mit gelbem Sammet ausgeschlagen war und in dem als das <139>Symbol der königlichen Macht, ein prächtiger blausamtener, mit Hermelin gefütterter Mantel lag. Hinter dem Wagen ritten die Prinzen, Markgrafen und Grafen aus Friedrichs Heer, und endlich folgte der König selbst mit einem kleinen Gefolge. Er wurde durch den Stadtmajor eingeführt. Der Zudrang des Volkes war außerordentlich; nach allen Seiten hin grüßte und dankte der König mit stetem Abnehmen des Hutes. Zu der königlichen Tafel wurden die Deputierten des Rates und der Adel gezogen. Nach der Tafel ritt Friedrich durch die Stadt. Als er an den prächtigen Palast kam, der von den Jesuiten aufgeführt ward, bemerkte er, daß es dem Kaiser wohl habe an Geld fehlen müssen, da seine Geistlichkeit das Geld zu solchen Anlagen verbrauche.

Zwei Tage darauf war großer Ball, den Friedrich selbst mit einer der vornehmsten Damen Schlesiens eröffnete. Bald aber verlor er sich aus den Reihen der Tanzenden und eilte unverzüglich seinen Truppen nach, die wieder schon weiter vorgedrungen waren. Ohlau und Namslau wurden rasch eingenommen; Brieg, eine Festung, wurde wie Glogau eingeschlossen, Ottmachau, in Oberschlesien, erobert. Von wichtigen Punkten war nur noch Neiße, die bedeutendste Festung Schlesiens, übrig. Hier wurden die Hauptkräfte des königlichen Heeres zusammengezogen.

<140>Diese raschen Erfolge, die Eroberung eines reichen Landes fast ohne Schwertschlag, versetzten Friedrich in die behaglichste Stimmung; sie schienen ihm die glücklichste Zukunft zu versprechen. Die Briefe, die er in dieser Zeit an seinen Freund Jordan schrieb, atmen eine seltne Heiterkeit und Laune, wie denn überhaupt sein ganzer Briefwechsel mit Jordan, der vornehmlich die Zeit des Ersten schlesischen Krieges ausfüllt, zu dem Anmutvollsten gehört, was Friedrich geschrieben hat. Es spricht sich darin überall die innigste Zärtlichkeit aus, die aber durch eine leisere oder schärfere Ironie über die friedlichen Tugenden des Freundes stets eine eigentümliche Würze erhält. So sandte er ihm aus Ottmachau folgendes fröhliche Schreiben: « Mein lieber Herr Jordan, mein süßer Herr Jordan, mein sanfter Herr Jordan, mein guter, mein milder, mein friedliebender, mein allerleutseligster Herr Jordan! Ich melde Deiner Heiterkeit, daß Schlesien so gut als erobert ist und daß Neiße schon bombardiert wird; ich bereite Dich auf wichtige Projekte vor und kündige Dir das größte Glück an, das Fortunens Schoß jemals geboren hat. Das mag Dir für jetzt genug sein. Sei mein Cicero bei der Verteidigung meiner Sache: in ihrer Ausführung will ich Dein Cäsar sein. Leb wohl. Du weißt selbst, ob ich nicht mit der herzlichsten Liebe bin — Dein treuer Freund. »

Ein paar Tage darauf schrieb er an denselben: « Ich habe die Ehre, Ew. Menschenfreundlichkeit zu melden, daß wir auf gut christlich Anstalten treffen, Neiße zu bombardieren, und daß wir die Stadt, wenn sie sich nicht mit gutem Willen ergibt, notgedrungen werden in den Grund schießen müssen. Übrigens geht es mit uns so gut, als nur immer möglich, und Du wirst bald gar nichts mehr von uns hören; denn in zehn Tagen wird alles vorbei sein, und in vierzehn etwa werde ich das Vergnügen haben, Dich wieder zu sehen und zu sprechen. » Der Schluß dieses Briefes lautet: « Leben Sie wohl, Herr Rat! Vertreiben Sie sich die Zeit mit dem Horaz, studieren Sie den Pausanias und erheitern Sie sich dann mit dem Anakreon: was mich betrifft, ich habe zu meinem Vergnügen nichts weiter als Schießscharten, Faschinen und Schanzkörbe. Übrigens bitte ich Gott, er wolle mir bald eine angenehmere und friedlichere Beschäftigung, und Ihnen Gesundheit, Vergnügen und alles geben, was Ihr Herz nur wünscht. »

Die Eroberung von Neiße erfolgte indes für jetzt nicht. Die Festung hielt das Bombardement aus, und ein Sturm war durch die umsichtigen Anstalten des Kommandanten unmöglich gemacht. Die Werke waren in guten Stand gesetzt, die Vorstädte mit all ihren schönen Gebäuden und Gärten abgebrannt, die gefrornen Gräben wurden alle Morgen aufgeeiset und die Wälle mit Wasser begossen, welches letztere augenblicklich die Gestalt einer unersteiglichen gläsernen Mauer annahm. Da <141>die Jahreszeit eine förmliche Belagerung unmöglich machte, auch die preußischen Truppen durch die anstrengenden Wintermärsche erschöpft waren, so mußte Friedrich diese Unternehmung aufgeben. Gleichzeitig aber waren die übrigen Teile seines Heeres durch ganz Oberschlesien, bis Jablunka an der ungarischen Grenze, vorgedrungen. Die österreichischen Truppen, die spät zur Verteidigung des Landes erschienen waren, hatten sich, zu schwach zum Widerstande, nach Mähren zurückgezogen, und die Preußen konnten nun eine kurze Erholung in den Winterquartieren suchen. Am 26. Januar war Friedrich bereits nach Berlin zurückgekehrt.